Kanye West :: Late Registration
Da ist sie wieder, die Hip-Hop-Platte, die allen gefällt. Auch denen, die sich für das Gerappe gar nicht interessieren, weil man eh nichts versteht – und sogar die Experten sagen ja, daß Kanye West eigentlich ein schlechter Rapper ist, obwohl man nicht mal den Experten glauben kann, weil HipHop ein Stilkrieg ist, in dem es keine neutralen Beobachter gibt.
West hat halt einen sehr altmodischen Flow und eine Weicheier-Stimme, „was gut für ihn ist, denn das lieben die vernünftigen Leute: Von der gewaltigen Lauflänge bis zu den Credits, die umfangreicher sind als bei Rockbands die Songtexte, hat „Late Registration“ zwar alles, was an Rap-Platten so fremd und bedrohlich ist – aber es gibt hier keine Pistolen, keinen Mafia-Chic, kaum unflätige Wörter. Nicht einmal ein Foto des Künstlers, nur den niedlichen Bären, so was Nettes aber auch. Da traut man sich näher ran, der ist ja fast so vernünftig wie wir.
So gesehen spricht es schon wieder für Kanye West, daß er trotzdem ein rechter Angeber ist, der sich von Gott gesandt fühlt und das James-Bond-Sample in „Diamonds From Sierra Leone“ vielleicht nur deshalb vorführt, weil alle wissen, wie irre teuer es gewesen sein muß. Er macht daraus im Duett mit JayZ ein Lied über moderne Sklavenarbeit, „Roses“ (teures Bill-Withers-Sample) handelt von Ungerechtigkeiten im Welt-Gesundheitswesen, „Crack Music“ (preiswertes Gospel-Chor-Sample) mit 50-Cent-Feind The Game von der Unterwanderung der Black Community durch die CIA – einen gewissen Nachrichtenwert hat das für viele Hörer tatsächlich, und mit rassistischen Verschwörungstheorien hält er sich dieses Mal zurück (obwohl er kurz darauf beim New-Orleans-Tribute weder schön vom Leder zog und standesrechtlich zensiert wurde).
So glänzend, golden und gut ist das alles jedoch vor allem wegen Wests unwahrscheinlichen Talents als Produzent, Pop-Designer und Showmaster: Abgesehen vom überlangen Stück mit Nas (Erzfeind von Wests Label-Chef Jay-Z!) hat „Late Registration“ keine einzige langweilige Millisekunde, gibt einem ein ähnlich euphorisches, wohliges Gefühl wie die 7oer-Jahre-Meisterwerke von Stevie Wonder, ohne daß dies eine Crossover-Platte wäre wie von Outkast. Co-Produzent Jon Brion, ein reiner Rock-Pop-Typ, bringt Orchester und Spinett ein, aber meistens agiert West als fast traditioneller DJ, der die besten Breaks von Curtis Mayfield (wahnwitzig teuer) und Gil Scott-Heron immer wieder laufen läßt, heute mal verlangsamt. Der Soul-Gipfel ist, Addiction“: In einem kleinen Vortrag über die Sucht nach Liebe überkreuzt er sich mit Etta James, in einem Ausschnitt aus „My Funny Valentine“, bis das hartherzigste Nackenhaar aufrecht steht.
Vier Stücke später, in „Celebration“, greift West ein paar Models an den Hintern. Es ist nicht so, wie Sie denken, Schatz! Er kann alles erklären!