KATE & ANNA MCGARRIGLE – The McGarrigle Hour :: HANNIBAL/RTD

Die Harmonien sind süß, die Stimmen warm, die Instrumente dezent, die Lieder alte Freunde aus Folk, Country und Pop. Doch es liegt eine leichte Melancholie über dieser Musik, wie eine Erinnerung, die einen an Orten der Kindheit überfällt, die man nach Jahrzehnten wieder besucht. Ein gleichzeitig tröstender und schmerzlicher Moment: Tröstend, weil die Welt kurz wieder golden scheint, schmerzlich, weil auch diese Sekunden vergehen. Aber wenigstens ein paar Sekunden. Beziehungsweise in diesem Fall: 63 Minuten.

Dies ist ein Familientreffen: Die kanadischen Geschwister Kate und Anna McGarrigle haben für ihr achtes Album Freunde und Verwandte geholt: Kates Ex-Ehemann Loudon Wainwright, selbst ein veritabler Songwriter mit zwei Handvoll Alben, der auch den Opener „Schooldays“ schrieb, eine wehmütige Hymne an die Vergangenheit Die gemeinsamen Kinder Martha und Rufus Wainwright, die ihre Stimmen in dem herzzerreißenden Irving-Berlin-Standard „What’ll I Do“ verschmelzen lassen. Linda Ronstadt, deren Hit „Heart Like A Wheel“ die Schwestern geschrieben haben, und die hier das sanfte „Gentle Annie“ veredelt. Emmylou Harris, die eine wackere Version des Cajun-Klassikers „La Porte En Arriere“ schmettert Außerdem Annas Ehemann Dane Lanken und die gemeinsamen Kinder Lily und Sylvan sowie die alten Kumpel Michel Pepin, Joel Zifkin und Chaim Tannenbaum – Letzterer überrascht mit dem erdigen „Dig My Grave“, einem Spiritual von den Bahamas.

Man hört in jedem Moment, wie dieses Treffen verlief: in der Initimität der miteinander spielenden und sprechenden Stimmen, in der Nähe der sich ohne Zögern zusammenfindenden Instrumente, in den leichten, aufs Wesentliche reduzierten Arrangements. Kein Wunder, daß Produzent Joe Boyd die CD in einer Woche aufnehmen konnte: Er hatte zum einen natürlich hochbegabte, professionelle Musiker, die zweifellos alles spielen und singen können. Das kannte er von der flukturierenden und haidosen Incredible String Band und anderen ausfransenden Ensembles, mit denen er arbeitete. Doch vor allem hatte er hier nicht einfach eine noch so brillante Gruppe, sondern eine Familie, die tatsächlich funktioniert. Auch das kann man hören.

Und es klingt nicht wie ein Traum, sondern wie eine Utopie.

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