Kathleen Edwards :: Voyageur
Die Schmerzenskönigin wagt sich von ihren Roots in Richtung Pop.
Wo sind all die Küsse hin, wo sind sie geblieben … Diesen Moment einzufangen, in dem die Liebe den Raum verlässt, ist keine kleine Kunst. Für Kathleen Edwards wurde sie anscheinend erfunden. „You don’t kiss me/ Not the way that I wish you would/ Maybe I don’t look at you in a way/ That makes you think you should“, singt sie zwischen Ahnung und Gewissheit, auf ihrem vierten Album „Voyageur“ im Song „House Full Of Empty Rooms“.
Aber leer bleiben die Zimmer bei der 33-jährigen Schmerzenskönigin aus Kanada nie lange. Justin Vernon alias Bon Iver ist der neue Mann an ihrer Seite. Und überhaupt: So voll war es auf einem Edwards-Album auch noch nicht. Neben ihrem Quartett um Gitarrist/Keyboarder Jim Bryson tun unter anderen John Roderick (Long Winters), Francis & The Lights, Norah Jones (!) und Brian Moen (Peter Wolf Crier) mit.
Und Vernon natürlich (der Edwards‘ „Mercury“ live schon länger covert, als sie sich kennen). Als Multiinstrumentalist und Co-Produzent gelingt es ihm, Edwards in Songs wie „Empty Threat“, „A Soft Place To Land“, „Change The Sheets“ oder „Pink Champagne“ atmosphärisch ein Stück weit aus vertrautem Roots-Terrain zu lotsen, ohne sie mit seiner Präsenz zu erdrücken oder ihr den freien Fall zuzumuten. Das in Feedback getränkte „Going To Hell“ kommt dem am nächsten – aus einer anderen Perspektive aber auch der Muntermacher „Sidecar“, mit dem sie so dran an POP! ist wie nie zuvor.
Eine so zwingende und zugleich unaufdringliche Charakterstudie wie „Asking For Flowers“ (der Titelsong des Vorgängers) gelingt Edwards auf „Voyageur“ zwar nicht. Und dass „Wapusk“, dieser warme Vorab-Gruß aus der Eiswüste, keine Berücksichtigung mehr fand, ist schade. Dafür klingt das abschließende, gut siebenminütige „For The Record“ wie Neil Young aus der Milchstraße. Gefühle, gefriergetrocknet. „Hang me up on your cross“, empfiehlt Kathleen Edwards – und stellt klar: „for the record, I only wanted to sing songs.“ Wenn nur diese Küsse nicht immer dazwischenkommen würden. (Zoe/Rounder/Universal) Jörg Feyer
Beste Songs: „House Full Of Empty Rooms“, „Going To Hell“