Kelis – Wanderland
Wenn eine endlich zu sagen wagt, was viele andere vielleicht schon ziemlich lange gedacht haben, kommt manchmal ein dicker Hit raus. Noch frisch in Erinnerung ist der Furor, mit dem Kelis letztes Jahr dem untreuen Partner ihr „I hate you so much right now“ hinterherkeifte. Mit der Single „Caught Out There“, vor allem dem Video dazu, sowie ihrem Album-Debüt „Kaleidoscope“ spaltete die junge Predigertochter aus Harlem aber auch eine im Umbruch begriffene (Soul-)Gemeinde. Eine Punk-Göre mit Rock-Ambitionen als (vermeintliche) Retterin einer makellosen, entpolitisierten, mit sexuellen Stereotypen hausierenden R&B-Video-Scheinwelt? Das kann und darf nicht sein!
„Wanderland“ dürfte die Gemüter wieder etwas beruhigen, „Young, Fresh N‘ New“, die einleitende Ode, wird Kelis allenfalls das Stirnrunzeln besorgter Eltern frühreifer Teenager mit außerhäusigen Tendenzen einbringen. Pharrell Williams und Chad Hugo alias The Neptunes lassen ihre Protagonistin auf einer dröhnend-spacigen Endlosschleife jubilieren, die direkt von der Kommandobrücke der „Enterprise“ gefallen zu sein scheint.
Da können die Rock-Ambitionen glatt vor der Tür bleiben, wenn es doch viel schöner ist, neue Soul-Vibes zu reiten („Shooting Stars“) und alten P-Funk zu reanimieren („Easy Come, Easy Go“). Erst bei Titel 9 dürfen ein paar Gitarren krachen. „PerfectDay“ ist aber als Ausschuss zu verbuchen. Liegt’s an Co-Autorin Gwen Stefani (No Doubt), die neuerdings glaubt siehe auch Eve -, sich auf diesem Terrain profilieren zu müssen? Kelis‘ Wut geht in „Get Even“ diesmal an die perfide Schwester von nebenan. Aber was soll Frau machen, wenn Mann Primärreizen verfallt „Her tits were blinding you while I had a hard enough time finding you.“
Und so lädt Kelis entspannt zu den Blumen (der Lust) in ihrem Garten („Scared Money“), spinnt die ewige Attraktion zwischen Schulmädchen und Sugar-„Daddy“ (Songtitel) weiter, verschmilzt in „Mr. U.F.O. Man“ Sci-Fi-Obsession und Gospel-Background. Ausgewählte Rap-Gäste sind nur hübsche Staffage in der Show des Trios Williams/Hugo/Rogers. Der Furor von „Caught Out There“ konnte aber nur einmal funktionieren. Womit auch das Manko von “ Wunderland“ beschrieben ist: Der große Überflieger fehlt irgendwie doch.