Kevin Avers – Songs For Insane Times
Im letzten Jahr veröffentlichte Kevin Ayers mit „The Unfairground“ sein bestes Studioalbum der letzten 30 Jahre. Was natürlich relativ wenig besagt, denn schon in der zweiten Hälfte der Siebziger verlor er sich in den Weiten der Obskurität und funktionierte nur noch nach den Vorstellungen von Plattenlabels und vermeintlichen Hitproduzenten. Doch er hat nie getaugt zum großen Pop-Entwurf. Der Reiz seiner Alben lag immer in ihrer Beiläufigkeit, in den lässig hingeworfenen, mit schlaftrunkener tiefer Stimme vorgetragenen Songs, den schrulligen, nicht zuende gedachten Ideen und der Faszination für Scharlatane wie den russischen Mystiker G.I. Gurd-jieff, der behauptete, der Mensch schlafe sein Leben langund träume nur, er sei wach.
„The Confessions Of Doctor Dream And Other Stories“ hieß daher auch das letzte große Ayers-Al. Eine 4-CD-Anthologie mit Songs des englischen Barden aus seiner großen Zeit zwischen 1969 und 1980 – darunter eine CD mit einem Konzert-Mitschnitt aus dem Jahr 1973 bum. Es erschien 1974. Danach gab es noch ein denkwürdiges Konzert mit Brian Eno, John Cale und Robert Wyatt, dann machte sich Ayers auf den Weg in die Vergessenheit. „Songs For Insane Times“, eine Ayers-Anthologie, die die Jahre 1969 bis 1980 umfasst, in denen er zunächst für das Harvest-Label, dann für Island und dann wieder für Harvest aufnahm, hilft der Erinnerung — ein Jahr, nachdem er sich mit „The Unfiurgrotmd“zurück gespielt hat in unsere Herzen – auf die Sprünge. Drei CDs versammeln Singles, Albumtracks und Outtakes, dazu gibt es noch ein unveröffentlichtes Konzert von 1973.
Keine Ahnung, für wen „Songs For Insane Times“ eigentlich gedacht ist. Fans dürften die wichtigsten Studioaufnahmen schon auf den Reissues der ersten vier Harvest-Alben mit Bonus-Tracks und der Anthologie „The Island Years“ besitzen. Einsteiger aber würden wohl erschlagen von der Materialfülle dieser Kompilation. Zudem scheint die Auswahl diskutabel. So gibt es etwa nur vier Stücke vom Meisterwerk „Bananamour“, das müde „Rainbow Takeaway“ ist mit ebenso vielen Aufnahmen vertreten — und ausgerechnet der schöne „Strange Song“ fehlt.
Letztendlich lässt sich also eigentlich nur das Live-Album bewerten, auf dem Ayers bei einem Konzert im Mai 1973 mit seiner damaligen Band 747 in der Londoner Queen Elizabeth Hall zu hören ist. „Gonna start with some music that I can only describe as marvellous“, beginnt Ayers das Set und trönt zum Boogie-Woogie-Piano seiner immer noch etwas seltsam anmutenden Bananen-Obsessionen. Nach diesem etwas albernen Prolog spielt sich die Band extrem klar und druckvoll durch Ayers-Klassiker wie „Stranger In Blues Suede Shoes“
und „Caribbean Moon“. Am Ende stehen epische Versionen der Soft Machine-Stücke „We Did It Again“ und „Why Are We Sleeping“. Erstgenanntes eine rauschhafte Inszenierung mit Gospel- und Latin-Anleihen, letzteres traumverloren mit furiosem Finale. Als Zugabe gibt’s noch „After The Show“. „I hope someone takes you home after the show“, sagt Ayers zum Abschied. „I hope someone takes me home after the show. Good night.“ Jetzt kann man mit “ Songs For Insane Times“ zumindest diese wunderbare Show mit nach Hause nehmen.