Kevin Ayers :: Joy Of A Toy

Bevor wir das rätselhafte Zoblophon und die 124 anderen Instrumente durchnehmen, die auf den ersten vier Alben von Kevin Ayers eingesetzt wurden, und bevor von Karo-Bube bis zum Joker alle Persönlichkeitsspaltungen aufgeblättert werden, die man in diesen beispiellos inspirierten Songs finden kann: Einige würden in die „Ritter der Kokosnuss“ passen. Ayers‘ Sprechgesang hat etwas im mittelalterlichen Sinn Edelmännisches, und wären Bowie und Ray Davies nicht, müsste man ihn zum Rittervater der britischen Dandys schlagen (Blur. Pulp, Divine Comedy). Weil alles so wunderbar passt.

Soft Machine hatte er 1968 mutmaßlich deshalb verlassen, weil ihm auf der 6-Monate-Tour als Hendrix-Vorgruppe klar geworden war, dass körperliche Anstrengung für einen Bonvivant, Gourmet und Weintrinker zu meiden sei. Er zog für den Rest des Sommers nach Ibiza und schrieb die Kunstlieder für Joy OfA Toy“ (1969 veröffentlicht). Robert Wyatt trommelte, die ganze Soft Machine begleitete den dekadenten Songwriter-Jazz „Song For Insane Times“. Jedes der zehn Stücke ist so fokussiert, dass es in eine Streichholzschachtel passen würde, aber alles blüht in den psychedelischen Arrangements von Keyboarder David Bedford. Wenige Platten der Sechziger klingen gleichzeitig so ambitioniert und entspannt.

Auf einer bisher unveröffentlichten Version von Ayers‘ „Singing A Song In The Morning“ hat sogar Syd Barrett Gitarre gespielt. Die Aufnahme ist einer von sechs Bonus-Titeln auf der neuen Joy a -CD, ein letztes Indiz dafür, wie gut dieses Reissue-Paket gelungen ist (ausführliche Booklets, hochwertige Extras, Mid-Price um die zehn Euro).

Der Künsdercafe-Traum „May I?“ („May I sit and stare at you for a while?“) ist auf „ShootingAt The Moon“ (1970, 3,0) nun auch in stilechtem Französisch zu hören. Zu der Zeit hatte Ayers wieder eine Band, der 17-jährige Mike Oldfield richtete hier keinen Schaden an. Eine gruppendynamische Platte mit gemeinsamer Jazzrock-Improvisation und einigen Freiform-Noise-Stücken, die für sich genommen Furcht erregend sind, aber dramaturgisch genial zwischen brillante Songs gestaffelt sind – das Lied der wandernden Auster, „who was sick of being oysterized“. Zerfleddert, aber wundersam.

Eine Tour belehrte Ayers wieder eines Besseren. Die Band wurde aufgelöst, auf „Whatevershebringswesing“ (1971, 4,0) ließ er sich von Orchester und Dixieland-Band begleiten, beide keinesfalls transportabel. Die beste Demonstration des Eklektikers-Ayers verließ sich nicht nur auf die unerschöpflich Fantasie als Autor, sondern ebenso sehr auf die ausgesuchten Musiker und Bedfords Arrangement-Kunst: der klaustrophobische „Song From The Bottom Of A Well“, der „Champagne Cowboy Blues“ mit Oldfields Twin-Gitarre und Hillbilly-Fiedel, alles vollendet und ohne Koketterie. Co-Produzent Andrew King dankte er „for some nice wine“.

Bei „Bananamour“ (1973, 3,0) stieß Ayers langsam an Grenzen, wo eigentlich keine waren. Sein Memphis Soul wirkt gestelzt und „Oh! Wot A Dream“ („deliberateley sung in Syd Barrett’s style“) mehr wie eine Parodie. Trotzdem gelingt ihm weiter fast alles, was er anpackt (Blues, Velvets-Stil). Die Platten waren natürlich Flops, Ayers zog nach Mallorca, ging zu Island Records und so weiter. Dass er heute so selten genannt wird, lässt sich kaum erklären. Am Wein lag’s sicher nicht.

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