Kevin Salem – Glimmer

Wer oder was ist das denn? Tom Petty auf Acid? Nach einer Frischzellenkur? „Run, Run, Run“ heißt der erste Song auf dem zweiten Solo-Album von Kevin Salem. Und es braucht keine zwei Akkordwechsel, da liegt tatsächlich diese Verheißung des Unterwegsseins in der Luft. Flucht oder Aufbruch? Egal, letztendlich.

Ein Innovator ist der in Brooklyn residierende Songwriter und Gitarrist aus Pennsylvania immer noch nicht geworden. Wer nach überraschenden Akkord-Wechseln sucht, nach diffizilen Arrangement-Finten, sucht vergeblich und nimmt vielleicht das böse Wort „Mainstream“ in den Mund. Aber das trifft’s nicht Sicher: Kevin Salem ist ein Mann des Naheliegenden. Aber er durchmißt dieses weite Feld des Naheliegenden mit einer unglaublich schieren Präsenz – gehalten nur von der unerschütterlichen Macht seines gleißenden Gitarrenspiels und von der uneitlen Studio-Regie eines Niko Bolas (Neil Young etc.), der die nackte Essenz des Salem-Sounds nicht in herbeizitierten Hanswursteien versickern läßt Burn, baby, burn: Salems Gitarre brennt und brennt und brennt In „Pray For Rain“ schauen Television bzw. Tom Verlaine kurz um die Ekke, andere Passagen ließen sich umstandslos ins neue Neil Young & Crazy Horse-Album montieren. Dazu verströmt seine Stimme jenen beautiful loser-Charme, jene waidwunde Entschlossenheit, auf die ein Paul Westerberg lange die Alleinvertretungsrechte zu beanspruchen schien.

War Kevin Salem auf seinem ersten Solo-Album noch in der „Soma City“ daheim (was sich kaum zufallig auf „Koma“ reimt), wo er die Läuterung suchte in der Finsternis, in die ihn eine lebensbedrohliche Krankheit vorübergehend gestoßen hatte, so ist „Glimmer“ durchaus von etwas lichterem Zuschnitt. Aber die Zweifel und Ängste, die einmal gesät sind, hinterlassen immer Spuren. „Sleep, Baby, Sleep“ fleht Salem, bevor David Mansfields Steel-Gitarre ins Reich der (Alp-)Träume führt. Und die letzten zwei Titel auf „Glimmer“ zugleich zwei seiner besten überhaupt – heißen „Trouble“ und „Destructible“. Umspült von zäh wogendem Zeitlupen-(Country)-Rock, singt Salem von einer Stadt ohne Wiederkehr, von Tränen, die die Zeit in Eiswasser verwandelt, von flüchtigen Gewißheiten, die viel zu schnell keine mehr sind. Bis auf eine: „Call me destructible, call me your fool. I know that it’s true…“

Doch dann brennt diese Gitarre noch einmal, schwingt sich noch einmal auf zu wild irrlichternden Höhenflügen. Und aller Dünkel verfliegt. Run, run, run!

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