Kicks

Carolyn Mark The Queen Of Vancouver Island ****

Eine wunderbar lebensechte, weil gelebte Platte, ohne ein Quentchen Prätention. Carolyn Mark spielt nicht die Verlassene und Gedemütigte, sie gibt sich nicht beschwingt und beschwipst, sie ist es. Sie gewährt Einblicke, nicht schönfärberisch oder leisetreterisch, sondern samt Warzen und mit gehörig Chuzpe. Erstaunlich, dass es etliche Jahre gedauert hat, bis sich die Kanadierin über Vancouver hinaus einen Namen machen konnte. Immerhin sind ihre Songs mehrheitlich memorabel und die musikalische Klaviatur aus Country, Blues, Folk und Rock’n’Roll, die sie ausgesprochen lustvoll zum Klingen bringt, bietet eine erhebliche stilistische Bandbreite, vergleichbar der von Rosie Flores. Mit dieser verbindet Carolyn Mark ohnehin einiges, nicht zuletzt ein frivoler Sinn für Humor, der die eigenen Schwächen nicht bloß selbstironisch auf die Schippe nimmt, sondern schonungslos offenlegt. Das Alter und die ständige Gefahr hormoneller Fallgruben sind wiederkehrende Themen, in „Old Whores“ etwa, wo sich Wehmut und Scham paaren. „We started out with dreams of perfection and no compromises“, erinnert sich Carolyn bitter, doch „little by little convictions slip through your fingers/ We weren’t always old whores“. Und als ob es gelte, einen Dämon auszutreiben, legt sie in „You’re Not A Whore (If No One’s Paying)“ trotzig nach: „So strap on high heels/ Don’t sell yourself short/ If you’re enthusiastic, babies, nothing’s a chore.“ Auch Selbstbetrug lässt sich lehren, will gelernt sein. Am Ende ist es eine Fremdkomposition, die den Höhepunkt der LP markiert: Elvis Presleys „Flaming Star“, den Todgeweihten heimleuchtend, zu galoppierenden Beats und triumphalen Trompeten. (Mint)

The Joy Formidable Wolf’s Law ***1/2

Die Waliser sind auf den Upmarket-Train gesprungen, setzen auf die US-Karte. Das ist einerseits verständlich, denn ihr Rock ist zwar Post-Grunge und Post-Emo, mithin avantgardistisch für amerikanische Verhältnisse, verfügt jedoch über die nötigen Zugangs-Codes für den riesigen Markt: Kick-Ass-Bravado und arenataugliche Melodien. Andererseits ist es bedauerlich, weil die Aggression gedämpft, das Wilde gezügelt, das archaische Moment überlagert und der Pop zugunsten zünftiger Riffs zurückgedrängt wurde. Alles nicht in domestizierender Absicht, nicht verhängnisvoll, doch zeigt der direkte Vergleich mit ihren früheren Platten, etwa „A Balloon Called Moaning“, dass dynamische Spitzen gekappt wurden und – von Bob Ludwigs austariertem Mastering begünstigt – nun eine gebremste Version des freilich immer noch halsbrecherisch anmutenden Sounds nach Radio-Akzeptanz strebt. The Duke Spirit haben zuletzt eine ähnliche Richtung eingeschlagen, indes ohne zählbaren Erfolg. Liela Moss klingt halt immer gefährlich, wohingegen Ritzy Bryans Gesang bei aller Extravaganz auch strategisch zu kuschen versteht. Zahm sind The Joy Formidable deshalb noch lange nicht, ihre Gitarre-Bass-Drums-Phalanx agiert nach wie vor beängstigend durchschlagskräftig. Dabei verlangen diese Songs nach ebenso viel Licht wie Schatten, dargestellt im flirrenden Wechsel von Puls-Beats, schriller Distortion, sich auftürmenden Klangwolken und rüdem Punk-Komment. Keine Frage, „Wolf’s Law“ beeindruckt als Leistungsschau, als potente Mixtur musikalischer Ausdrucksmittel, auch wenn „Maw Maw Song“ ziemlich verschachtelt wirkt, „The Turnaround“ etwas zu weich zeichnet und „The Hurdle“ eine Hürde zu viel nimmt. Dramaturgische Defizite nur, womöglich auch gewöhnungsabhängig. (Atlantic)

Widowspeak Almanac ***1/2

Sanft pochende, hypnotische Soundscapes und hinterrücks verführende, bittersüße Melodien machten das Debüt-album des Duos aus Brooklyn vor zwei Jahren zum dauerhaften Vergnügen und zu einem Versprechen, das „Almanac“ nicht einlöst. Das Unterschwellige ist nun Oberfläche, Widowspeak gehen in die Offensive, lassen Gitarren klingeln, stellen das Schlagzeug auf Rock-Modus, setzen auf Ranschmeißen statt auf Suggestion. Alles evoziert die Siebziger, vom hippiesken Artwork und der gediegenen Machart des Fold-out-Covers über die meditativen Melodiebögen und zirpenden Grillen, die jaulenden Gitarren auf „Devil Knows“ und den pastoralen Folkpop von „Minnewaska“ bis zum transzendental eröffnenden, sich in diesseitiges Gepolter steigernden „Ballad Of The Golden Hour“. Molly Hamilton singt noch anmutig, aber nicht mehr so entrückt, ihre Stimme schwebt über dem Mix, ist nicht länger darin integriert, während Robert Earl Thomas an den Saiten rustikaler zu Werke geht. Die Texte schließlich sind simpler, bergen kaum noch Geheimnisse. Kurzum, Widowspeak sind gewöhnlicher geworden, auch wenn einige Tracks wie das sublim twangige „Sore Eyes“ oder das traumwandlerische „Locusts“ durchaus noch zu fesseln vermögen. File under Americana. (Captured Tracks)

Beat Hotel The Best Of Our Years ****1/2

Im Beat Hotel eingecheckt haben unter anderem ehemalige Mitglieder so illustrer Bands wie der June Brides oder Weather Prophets, und Jim Shepherd, einst Sänger der Jasmine Minks, leiht seine Stimme. Kein Wunder, dass „The Best Of Our Years“, von Paul Pascoe kongenial produziert, an die Blütezeit von Creation Records gemahnt, doch auch The Distractions klingen an, circa „Time Goes By So Slow“. Zu hoch gegriffen? Nein, dies ist ein veritabler Glücksfall von einer Single, melodisch mitreißend, mit herrlichem Sustain zwischen Surf und Shadows. 7-Inch. (Random Acts Of Vinyl)

Sundowners Hummingbird ****

Nicht zu verwechseln mit Leon Russells „Hummingbird“, unlängst von Bonnie ‚Prince‘ Billy so vortrefflich interpretiert, flattert uns dieser Kolibri aus Liverpool ins Haus. Es ist nicht verbürgt, ob Alfie und James Skelly, die diesen Song schrieben, verwandt sind. Ian und James Skelly sind jedenfalls Brüder, zeichnen für die Produktion verantwortlich und sind nebenbei mit The Coral zugange, einer Band, deren farbenfrohe Pop-Ästhetik zwischen britischem Harmony-Pop und Westcoast-Psychedelia mächtig abgefärbt hat auf Alfie und ihre Sundowners. Can’t be bad. 7-Inch. (Thin Skin)

Those Darlins Summer’s Dead ****

Split-Singles sind selten die Beschaffungsmühe wert, diese schon. Nicht der Rückseite wegen, wo Heavy Cream mit „Prison Shanks“ keinen nutzlosen, indes nicht gerade für Aufregung sorgenden Lärm veranstalten, sondern weil Those Darlins aus Nashville vorderseitig einmal mehr zu faszinieren wissen. „Summer’s Dead“ vernachlässigt die Country-Seite der Band völlig, klingt wie eins dieser patentierten, Handclaps-getriebenen Garagenprodukte zwischen Powerpop und Punk, entpuppt sich bei genauerem Hinhören aber als unheilig überdrehte Mordballade. 7-Inch. (Oh Wow Dang)

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