Kicks

The Staves Dead & Born & Grown ****

Das britische Folk-Revival der Fifties und Sixties kennen sie nur vom Hörensagen, als Rezipientinnen einer mündlichen Überlieferung von Songs waren die Schwestern Emily, Jessica und Camilla Stavely-Taylor zu spät dran, denn die Zeiten abenteuerlicher Feldforschungen sind längst vorbei, alles ist niedergeschrieben und ausdokumentiert. Also hielten sich die Schwestern an Platten, sangen von klein auf mit, unisono oder stimmlich aufgefächert in natürlich sich erschließenden Harmonies. Als Teens begannen sie, ihren vokalistischen Zauber in eigenen Songs zu entfalten, so begeistert und begeisternd, dass selbst ausgebufften Musik-Kennern wie Glyn und Ethan Johns die Spucke wegblieb. Und so kam es, dass Vater und Sohn Johns das Schwestern-Trio unter ihre Fittiche nahmen und nun für die Produktion ihrer ersten LP mitverantwortlich zeichnen. Es ist ein fein austariertes und auf Transparenz ausgerichtetes Klangbild ohne Schmand und Tand, das sie den Staves angedeihen lassen, und auch instrumental wird von der Essenz dieser Musik, also von der schwesterlichen Empathie, nirgendwo abgelenkt. Gleich der erste Track, „Wisely & Slow“, beginnt a cappella und, ja doch, klug und langsam. Hier und da wird musikalisch koloriert, nicht kräftig, mit einer Ukulele nur oder mit einem Akkordeon, die vornehmlich im Romantischen wildernden Songs sind voller poetischer Wendungen und nicht ohne Widerhaken: „Patience is a virtue and mine with you is wearing thin.“ Wer diese Mädchen für handzahm hält, hat nicht richtig hingehört. (Atlantic)

Allah-Las Allah-Las ****

Der Sound dieses Quartetts kommt aus der Garage, wohl wahr, doch ist es eine aufgeräumte Garage, nicht geleckt sauber, indes ohne störendes Gerümpel. Alles hat seinen Platz in diesem Refugium, die musikalischen Werkstoffe sind in funktionablem Zustand, sämtliche Einflüsse sind leicht zuzuordnen, jederzeit abrufbar. Da ist die Surf-Ecke, in der die Drip-Drop-Gitarren stehen, dort in der Kiste mit der Aufschrift „Brits“ lagern sorgsam gepflegte Ersatzteile wie ein uraltes Stones-Lenkrad oder ein Yardbirds-Baukasten, mit dem sich „Still I’m Sad“ rekonstruieren lässt, nicht originalgetreu, nur partiell, aber mit Wiedererkennungswert. Andere klangerzeugende Utensilien tragen scheinbar unvereinbare Bezeichnungen wie „Byrds-Jangle“ oder „Mex-Beat“, doch klingen sie im Einsatz nie wie Fremdkörper, kollidieren nicht, werden vielmehr in guter kalifornischer Tradition harmonisiert und in ein landestypisches Laid-Back-Kontinuum transponiert. Produzent Nick Waterhouse, obschon selbst ja eher im R&B zu Hause und somit selten zurückgelehnt, versteht die Allah-Las-Attitüde offenbar, sonst hätte er kaum so kongenial bei der Tonsetzung assistieren können. Mit „Don’t You Forget It“ ist gar eine Schnittmenge vertreten, von beiden Parteien gemeinsam geschrieben und unlängst auf den beiden Seiten einer 8-Inch-Single (!) zum Showdown aufgestellt: Es gewinnen die Allah-Las, freilich äußerst knapp. (Innovative Leisure)

Anna Aaron Dogs In Spirit ***1/2

Der Schweizerin Basis ist Basel, doch hat sie Kindheit und Jugend in England und Neuseeland verbracht, in Asien auch, was wohl die Farbigkeit und stilistische Vielschichtigkeit der fünfzehn Tracks auf dieser absorbierenden Doppel-LP erklärt. Alles ist zwar Pop, vieles jedoch wirkt sperrig, manches arg artifiziell. Da jedoch der Song im Mittelpunkt steht, seine Aussage, seine Atmosphäre, kann sich der Hörer stets aufs Neue einfädeln, Stück für Stück. Den durch Chor oder Schlagwerk drapierten Zugang zu finden, ist nicht leicht, aber lohnend. Die Texte taugen als Schlüssel, sofern sich Instrumentierung und Stimme der Künstlerin im Sphärischen bewegen, im Lautmalerischen oder düster Dräuenden. Wenn sich Anna Aaron aber im Sakralen versteigt, im Prophetischen und Esoterischen herumturnt, lösen Texte wie Töne eher Fluchtreflexe aus, die zu unterdrücken manche Anstrengung kostet. Kein sich anbiederndes Werk mithin, kein herzliches Willkommen. Annas Gesang ist eine Intensität eigen, die bisweilen ans Obsessive grenzt. Schoßhündchen sind das nicht, worauf der Titel anspielt. (Two Gentlemen)

Allo Darlin‘ Covers ***1/2

Als The Darlings firmierte die australische Sängerin Elizabeth Morris, doch nach London übergesiedelt fand sie das Cockney-Come-on der Marktschreier in Soho so charmant, dass sie ihr Outfit danach umbenannte. Das war vor fünf Jahren, inzwischen haben Allo Darlin‘ diverse Platten herausgebracht und eine wachsende Schar von Fans, denen sie mit dieser 10-Inch-EP ein Geschenk machen. Dem Beispiel von Veronica Falls und der Smoke Fairies folgend, unterwerfen Morris und ihre Mannen wildfremde Songs einer radikalen Neu-Interpretation. Das zeitigt interessante Resultate, etwa bei „I Wanna Be Sedated“ von den Ramones, hier ganz aus der Art geschlagen, samt Pfeifeinlage, oder beim verhübschten „Dive For Your Memory“ aus dem Fundus der Go-Betweens. „You Shook Me All Night Long“ von AC/DC ist erfreulicherweise kaum wiederzuerkennen, so bar allen Rock-Remmidemmis. Weißes Vinyl. (Fortuna Pop!)

Mark Lanegan Same Old Man ****

Zu seinem zehnjährigen Jubiläum brachte das Westcoast-Label Light In The Attic diese superbe Single heraus, auf deren A-Seite sich Mark Lanegan „Same Old Man“ annimmt, finster und bedrohlich, wie man das von ihm nicht anders kennt, während die Rückseite Karen Daltons Banjo-reduzierte Fassung von 1971 als Kontrast bietet. Der Aufdruck „Mark Lanegan covers Karen Dalton“ ist freilich falsch, strenggenommen, denn das Traditional gibt es ja schon eine Ewigkeit, in vielen Versionen. Blue vinyl. (Light In The Attic)

Violet Woods Raw Love ****

The Great Pop Supplement: noch ein Label, das nicht nur verlässlich für Qualität bürgt, sondern einer Ästhetik die Stange hält, die derzeit eher ein Schattendasein führt – transatlantisch geprägte Folkrock-Seligkeit. Per Stilwillen und Sehnsuchtsprojektion den Bogen von London nach Los Angeles zu schlagen, das gelingt auch den Violet Woods, mit „Raw Love“ ganz auf die treibende Kraft der Achse Melodie/Harmonie setzend, auf „Cyanide Suns“ eher freaky und psychedelisch verbrämt. (The Great Pop Supplement)

Valerie June Workin‘ Woman Blues ****

Auf halbem Wege zwischen dem Delta und urbaneren Gefilden lokalisiert Valerie June aus Jackson, Tennessee ihre „organic moonshine roots music“, und diese von Dan Auerbach und Kevin Augunas in Nashville produzierte Debüt-Single widerspricht der Selbstbeschreibung nicht. „Workin‘ Woman Blues“ beginnt spartanisch und verhalten, beschleunigt zum Shuffle mit Stax-Flair und trauerumflorter Trompete, Liz Green evozierend, doch ist Valerie Junes Stimme um ein paar Schattierungen heller. (Sunday Best)

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