Kraan :: Diamonds

Seltsam schlaffer Jazzrock, der nichts Radikales mehr hat

Komisch, dass viele Menschen Kraan für eine Krautrock-Band halten. Sicher, „Sarahs Ritt durch den Schwarzwald“ und ein, zwei weitere frühe Stücke besitzen die für das Genre typische psychedelische Radikalität. Doch Helmut Hattler und die Gebrüder Wolbrandt waren von Anfang an mehr am Groove des Jazzrock interessiert. Schnell und möglichst virtuos spielen kam in den frühen Siebzigern in Mode, und Kraan konnten das wirklich gut.

Doch das Quartett, zu dem damals auch der Saxofonist Johannes Pappert gehörte, erreichte schon 1975 mit „Kraan Live“ seinen Zenit – die linksalternative Sponti-Fangemeinde mag es bestreiten und übte noch lange Zeit auf Konzerten den Ausdruckstanz. Irgendwann haben sich Kraan dann trotzdem für ein paar Jahre getrennt – um seit 2000 wieder zusammen zu spielen.

Heute ist vom gewitzten Tempo der frühen Kraan nicht mehr viel übrig. Eine seltsame Schlaffheit zeichnet die Stücke von „Diamonds“ aus, und man überlegt: Können die Musiker nicht mehr druckvoller spielen oder denken sie fürsorglich an ihr Publikum und dessen Bedürfnis nach kuscheliger Rotwein-Musik? „Ab nach Kassel“ klingt immerhin etwas flotter als die meisten anderen Tracks auf diesem vierten Album seit der Wiedervereinigung. Helmut Hattlers Bass gräbt und pumpt sehr ordentlich, auch Peter Wolbrandts Gitarre und das Schlagzeug des Bruders klingen satt und funky.

Doch schon „Am Hafen“ reibt einem eine geschmackvoll gemeinte, aber letztlich kitschige Wehmut ins Ohr. Das nervigste Stück des Albums ist sicherlich das unendlich müde und kraftlose „Akua“. Aber vielleicht täuscht man sich da auch, als dem Neuen aufgeschlossener Kritiker. Kraan bedienen längst ein Nischen-Publikum, alt gewordene Fans, eher Hippies, gemütliche Familienmenschen. Die sehen in einem Album wie „Diamonds“ vielleicht den Soundtrack ihres ruhig und beschaulich gewordenen Lebens.

Wer wissen möchte, wie man in ungebrochen radikaler Kreativität altert sollte sich lieber „Samurai Blues“ anhören, das gemeinsame Album von Mani „Guru Guru“ Neumaier und dem Acid-Mothers-Temple-Gitarristen Kwabata Makoto. Hier sprudelt sie noch, die ungezähmte Radikalität des Krautrock. (Bassball /36/Broken Silence) Jürgen Ziemer

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