Krachkultur 14 :: von Martin Brinkmann und Fabian Reimann (Hrsg.)

„Nicht jeder Neurotiker ist ein Dichter. Aber jeder Dichter ist ein Neurotiker.“ Diese steile These des Wiener Nervenarztes Wilhelm Stekel, der aufmerksamen Lesern aus Salingers „Der Fänger im Roggen“ ein Begriff sein könnte, steht im Zentrum der neuen Ausgabe der in München, Leipzig und Bremen herausgegebenen Literaturzeitschrift „Krachkultur“, die wieder einmal ein herrlich widerspenstiges Sammelsurium von Neu- und Wiederentdeckungen präsentiert.

Zu den Glanzstücken der ebenso poetischen wie trashigen Postille gehören ein zum Thema „Dichtung und Neurose“ wie die Faust aufs Auge passender Essay des amerikanischen Lyrikers Joshua Mehigan, zwei wahnsinnig gute Kurzgeschichten der hierzulande noch vollkommen unbekannten Schriftstellerin Mary Miller, eine hier erstmals auf Deutsch erscheinende Erzählung des südamerikanischen Fieberträumers Horacio Quiroga und ein Romanauszug des vielgesichtigen französischen Schwarzsehers Antoine Volodine, der für sich und seine zahlreichen Heteronyme das eigene Genre des Post-Exotismus beansprucht.

Einige grobschlächtige und teilweise epigonale Beiträge der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, namentlich von Frank Hertel und Xaver Bayer, fallen gegen diese internationale Konkurrenz allerdings ein bisschen ab. Dem überaus positiven Gesamteindruck tut dies indes keinen Abbruch. „Krachkultur“ bleibt rotzige Pflichtlektüre für alle, die von der blutleeren und entkoffeinierten Wellnessliteratur unserer Tage die Nase gestrichen voll haben. (Bunte Raben, 12 Euro) Alexander Müller

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