Lamerika – von Gianni Amelio
Eber der großen Poeten des europäischen Kinos hatte diesmal Schaum vor dem Mund. Amelios in Venedig und als „Felix ’94“ ausgezeichneter Film ist eine sarkastische Abrechnung mit dem Neokolonialismus unserer Tage. Nach der Wende kauft der Westen Europas den Osten auf – ob dieser nun DDR heißt oder Albanien.
Albanien 1991: Der Kleinstaat, bislang nur als Maos Balkan-Enklave und Punktelieferant im Fußball bekannt hat seine Tore geöffnet Das kommunistische Terrorregime von Envar Hodscha ist zerfallen, geblieben ist Elend. Das Land besitzt zwar 600 000 Bunker am Straßenrand, aber weder Autos noch genügend Nahrung. Also flüchten die Albaner zu Tausenden auf geenterten Schiffen gen bella Italia.
Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle kommen die gerissenen italienischen Manager Flore (Michele Placido) und Gino (Enrico Lo Verso) ins Land, um eine Schuhfabrik zu gründen. Als einheimischen Strohmann finden sie den knapp 80jährigen Spiro (Carmelo Di Mazzarelli), der über 36 Jahre in einem stalinistischen Arbeitslager dahinvegetierte. Plötzlich ist Spiro verschwunden, und Gino muß ihn suchen. Als ihm bei einem Aufenthalt in der Provinz alle vier Reifen seines Jeeps geklaut werden, beginnt für den blasierten Yuppie eine Höllenfahrt. Wie der Held in Scorceses „Zeit nach Mitternacht“ stolpert Gino von einem Alptraum in den anderen. Schließlich sitzt er ohne Paß und Geld verzweifelt auf einem Schiff nach Bari ins gelobte Land „Lamerica“, für die Albaner der utopische Name für Freiheit.
In einer für Amelio ungewöhnlich nüchternen Bildsprache fängt der Film diese Parabel von der Zerstörung der Welt ein. Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond.