lan Hunter & Mott The Hoople – The Journey – A Retrospective Of Mott The Hoople And lan Hunter
Was auch den größten Fan einer Band am Ende restlos entnerven und verzweifeln lassen kann, sind Erbwalter, die kein Maß und keinen Verstand erkennen lassen. Man höre und staune: In den 30 Jahren seit dem offiziellen Ende von Mott The Hoople sind mehr als drei Dutzend Sampler, Greatest-Hits-Retrospektiven und Best-Of-Verschnitte von Live- und Studio-Material der Gruppe dieses Namens erschienen, ganz abgesehen von Remaster-Ausgaben einzelner Original-LPs und obskuren Archivausgrabungen. Man tritt Ian Hunter sicher nicht zu nahe, wenn man der Überzeugung Ausdruck gibt: Er ist nicht Elvis Presley, was Umfang und Bedeutung seiner Studio- wie Konzert-Aktivitäten angeht. Aber seit ihn Island-Produzent Guy Stevens für sein neustes Band-Projekt durch eine Anzeige im „Melody Maker“ als Sänger gefunden hatte und dieser Gruppe als zweiten den Namen Mott The Hoople gab, scheint er sich nie in irgendeiner Form irgendwelche Mitspracherechte an den Platten gesichert zu haben, bei denen er offiziell – auch und erst recht bei den Solo-Projekten seither – der Sangesstar war.
Als die Legacy-Abteilung bei Sony 1993 mit „The Ballad Of Mott: A Retrospective“ die bis dahin bei weitem (auch klanglich) beste Werkschau der Island- und Columbia-Jahre als Doppel-CD-Set veröffentlichte, verzichtete man auf seine Mitarbeit und verpflichtete für die Liner Notes einen Autor, der dann allen Ernstes den Namen des Animals-Sängers auch noch (wohl keine Freudsche Fehlleistung) falsch als Eric Burden buchstabierte, in den ansonsten ziemlich korrekten Anmerkungen aber zu derselben Auffassung gelangt wie der Sänger in seiner berühmt gewordenen Behauptung: „Rock’n’roll’s a loser’s game.“
Der Verlierer war Ian Hunter. Dabei hätte er ein Gewinner sein können. Ein Star wie Kollege Freddie Mercury. Aber irgendwie versaute er es. Nachdem von David Bowie generös betreuten Glamrock-Projekt legte die Band mit „Mott“ und „The Hoople“ zwei fabelhafte LPs vor, die auch bei der Kritik überall glühende Bewunderer fanden. Aber bevor er dann auf ausgedehnten Tourneen 1974 Kapital mit der Band daraus schlagen konnte, begab er sich – nervlich und physisch angeblich schwer erschöpft – für längere Zeit ins Krankenhaus, nur um danach in den Sack zu hauen und eine Solo-Karriere anzupeilen.
Auch die Zusammenarbeit mit Mick Ronson bedeutete nicht, dass er als Songschreiber (als solcher hatte er mal festangestellt bei einem Musikverlag angefangen) oder Sänger ganz groß rauskommen würde. Die Band machte ohne ihn und Ronson weiter, während „Once Bitten Twice Shy“ sein einziger Single-Hit wurde – und die LPs in England wenigstens Achtungserfolge. Aber genau genommen war er schon die männliche Greta Garbo der Rockmusik, bevor er es je zum richtigen Star gebracht hatte.
Jetzt gab man ihm die Möglichkeit, bei der umfassenden Werkschau jede der 53 Aufnahmen auf diesem 3-CD-Set zu kommentieren. Campbell Devine, Autor der offiziellen Biografie „All The Young Dudes“, zitiert ihn in den Liner Notes ausführlich. Weil man ihn nicht verkommen lassen möchte, zieren die letzten zehn Seiten der Broschüre hier leider nur Abbildungen von Platten der Mott The Hoople- und Solo-Jahre, um dem Käufer nur ja nicht mehr und ausführlichere kluge Anmerkungen zuzumuten. Die frühen Band-Jahre werden knapp und etwas sehr pauschal mit nur gut einem halben Dutzend Aufnahmen gewürdigt. Weshalb nachgeborene Zeitgenossen, die das Debüt nie hörten, kaum die von Kritikern gern so lobend erwähnten Rückbezüge zu „Blonde On Blonde“ nachvollziehen dürften.
Aber ansonsten ist das, insbesondere als Überblick der Solo-Jahre einschließlich der Raritäten hier, schon sehr gelungen. Gewissermaßen auch eine späte Ehrenrettung, wenn’s der denn bedarf. Denn gerade von diesen Solo-Jahren gab es bislang keine ähnlich sorgfältig getroffene Auswahl.