Lemn – Advice For The Living :: Spartanische Beats, präzise Poesie: Electro-Lebenshilje aus Manchester

Poesie bedarf heute der Erklärung. Agitation auch, und der Philosophie geht es nicht besser. Aber wer will hier den Katalysator spielen? Auf unsere Musiker wären wir dabei erst ganz zum Schluss gekommen. Bis uns aus gar nicht so heiterem Himmel ein junger Mann aus Manchester bekniete, anflehte, umgarnte und am Ende, falls alles nichts helfen sollte, wie besessen niederschrie. Danach hätten wir Lemn

Sissay alles gegeben, wonach er verlangt hätte, und unseren Segen noch dazu.

Vom Cover seines ersten Albums schaut der Mann noch so harmlos wie früher Al Jarreau und heute die Young Lions des Jazz. Ein peinlicher Irrtum. „Wouldn’t you die for a little peace? Wouldn’t you die for a breath of hope?“ fragt Lemn, und er fragt immer weiter, treibt uns in die Enge, lässt keine Zeit für Antworten. Zu tonnenschwer verdichtet sind seine Worte, kein Zierrat irgendwo, nicht einmal Zitate sind zu entdecken, die das Geflecht licht werden ließen. Und weil schwer bedachte Verse wie diese jede Untermalung dahinfegen würden, schleift auf gleicher Höhe ein Drumloop wie Topper Headon im Schleichgang harsche Beats über die Nervenbahnen, gräbt Jah Wobbles Bass Fallgruben in immer gleichem Abstand, bis sogar Lemn außer Atem gerät. Auch das, wie jede seiner Silben, im Takt.

Manchmal auch, wenn Lemn seine Stimme mildert und dann und wann in nostalgischen Soul tauchen lässt, baut ihm sein Sound-Creator Chris Cookson nur spartanische Schwarzweiß-Bilder – wie aus dem Helikopter über der versengten Metropolis gedreht Oder aus der Achterbahn in granitenem Ödland.

Amüsant ist an dieser Platte beinahe nichts, brutal aufregend aber, berauschend und unwirklich schön ist jede Minute. Als Alafia Pudim und Omar Ben Hassan vor drei Jahrzehnten der Welt die Wahrheit zurückschenken wollten, nannten sie sich The Last Poets. Sie konnten es nicht besser wissen. Und Lemn hätte sein Album ebenso gut ^idvke For The Listening“ nennen können.

Fast hatten wir vergessen, wie schön das sein kann.

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