Lotte Ohm – 17°

Wir erinnern uns: Als Lotte Ohm aka Vincent Wilkie 1997 mit dem Indie-Album „Letzte Tanke vor Babylon “ herauskam, galt er als das nächste große Ding. Von einem deutschen Beck war gar die Rede, und logischerweise griff sofort ein Major-Label zu. Vielleicht kam der Ruhm zu früh: Abgesehen von der zu Unrecht übersehenen Single „Besserwisser“ konnte „Das Ohmsche Gesetz“ den Standard des Vorgängers nicht halten und floppte daher gnadenlos.

Vollkommen unlogisch also, ihm eine zweite Chance zu geben, aber die Entscheidung scheint die richtige gewesen zu sein. Ob die Scheibe ein Hit wird, bleibt abzuwarten, aber was Phantasie und musikalischen Reichtum angeht, sucht das Album in diesen Landen seinesgleichen. Im (autobiografischen?) Opener „Die Abenteuer des Gustav Gans“ erweist sich der Künstler als Kenner von Trivialmythen jedweder Art, und die Idee, mild abgeklärten Gesang mit zackigen Bläsern zu kombinieren, ist allein bemerkenswert. Da im Ohmschen Universum keine Pausentaste existiert, bleibt die Songfolge ungeschnitten: „Mr. Vertigo“ lebt von der wunderbar weichen, an „Walk On The Wild Side“ erinnernden Basslinie, die seinen schläfrigen Rap mit einem melodischen Kuschel-Refrain verbindet Und sogleich folgt mit „Ich erkläre dir die Welt nicht so, wie’s dir gefällt“ eine Zeile von programmatischer Bedeutung, denn die sorgsam gedrechselten Songtexte haben oft mehr mit den hintersinnigen Gedanken eines Max Goldt zu tun als mit der Simplizität des Pop – was Lotte Ohm mit der ganz am Schluss platzierten Coverversion des Tocotronic-Sechszeilers „Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen“ selbstironisch anzuerkennen scheint. Ebenso wie kennerhafte Verweise.

Keine anspruchslose Platte also, aber wer diese sauber verschmolzene Melange aus Grooves, Melodien und klassischen Songstrukturen noch immer zu schlaumeierisch findet, wird spätestens bei „Joni“, der herzerweichende Liebeserklärung an Mrs. Mitchell (mit „Coyote“-Sample), die Waffen strecken.

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