Madrugada – Grit: Elegisches versus Krautrock: die Norweger werden jetzt radikal :: VIRGIN

Tja, dieser „Berlin Vibe“. Hat ja, historisch betrachtet, schon ganz anderen Größen zu Großem verholfen. Für Madrugada, behaupten Sänger Sivert Hoyem und Gitarrist Robert Buras, sei er sogar einflussreicher gewesen als der von New York auf den Vorgänger „The Nightly Disease“. Ihr drittes Album haben die Norweger „Grit“ betitelt. Es wäre noch passender gewesen, hätten sie „one’s teeth“ angefügt. Denn so klingen diese zwölf neuen Songs: Als hätten sie lange, zu lange die Zähne zusammengebissen, dabei unfreiwillig mit Kies und Dreck gegurgelt – und dann endlich den Mund aufgerissen und alles schön weit rausgerotzt. Release me, baby.

Dabei nimmt „I Don’t Fit“ noch am deutlichsten die bisher typisch getragene Madrugada-Stimmung auf: mit elegischen Licks gen Morgen-Grauen. Der Rest ist extremer, präziser, konkreter. „I’m Ready“ reinkarniert fast eine böse Version von Television, doch radikaler klingt die Band jetzt auch da, wo sie weicher, offener agiert. Man muss ja „Song Of Majesty“ nicht gleich zum zweiten „Sister Morphine“ hochjazzen. Auch der Off-Beat/Dub-Ausflug „Get Back In Line“ befördert die Emanzipation des Sängers Hoyem.

„It’s all about women“, zuckt er mit den Schultern. In „Billy Pilgrim“ schlüpft Hoyem sogar in die Rolle der Liebsten, die daheim die nächste Tour zu überstehen hat. Pure Verzweiflung mit geschlossenen Augen. Und der „Berlin vibe“? Madrugada reden von Krautrock. Der als sonische Bezugsgröße am ehesten im zwielichten Doppel „Got You“ und „(Ghost) Loves Institution“ präsent ist. Die Geister, die man ruft, wird man so schnell halt nicht wieder los. Auch wenn die Mauer schon lange kein Echo mehr zurückwirft.

„I’m Ready“, sagt Hoyem noch, sei „a revenge kind ofthing“ man vergesse zwar, aber vergebe doch nie. Da kommen sie auch noch hin. Aber vielleicht nicht gerade in Berlin.

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