Manu Chao La Radohna
Manu Chaos Debüt „Clandestino“ war durchdrungen von einem hippiebunten Lebensgefühl und dem naiven Glauben an eine bessere Welt. Musikalisch klang das manchmal etwas arg süßlich, vor allem der Hit „Bongo Bong“ spielte die Niedlichkeits-Karte gnadenlos aus. Trotzdem macht dieses Album auch heute noch Freude, vor allem im Sommer, weil die Melodien gut ins Ohr gehen und die semi-akustischen Arrangements liebenswert schlicht klingen.
„La Radolina“ ist entschieden rockiger als „Clandestino“, knüpft also eher an „Proxima Estación: Esperanza“ von 2001 an, aber auch hier weht über allem das Banner einer globalisierungskritischen Haltung, die allerdings zunehmend kalkuliert und ideenarm wirkt. „Politik Kills“ raunt zu Mitklatschbeat und Mariachi-Trompete von der Schlechtigkeit der Politik, ohne dabei konkret zu werden. Im Zweifelsfall wird wohl George Bush an allem schuld sein.
„Rainin‘ In Paradize“ ist das eingängigste und markanteste Stück des Albums. In Frankreich wurde der Song in nur zwei Wochen 250 000-mal heruntergeladen, das Video hat kein geringerer als Emir Kusturica gedreht, und Produzent Andrew Scheps hat genau den Sound getroffen, den man braucht, um auch amerikanische Stadien zum Toben zu bringen. Der Text ist kritisch, aber auf eine Weise, die keinem die gute Laune verdirbt:
„In Palestine/ Too much hypoerisy/ This world go crazy/ It’s no fatality.“ Ähnlich knapp wird in weiteren Strophen auch das Geschehen in Kongo und Zaire kommentiert. Letztlich ist das feel good music für politische Besserwisser, die der Erzeugung eines Wir-Gefühls dient, wie es die Alten noch von den legendären Bots kennen — nur auf einem höheren musikalischen Level. In „The Bleeding Clown“ gibt Manu Chao zur Abwechslung mal den verlassenen Liebhaber und drückt dabei sehr auf die Tränendrüse, dafür rockt die Musik so gradlinig wie die Top-5 eines amerikanischen FM-Radios. Trotzdem gibt es auch auf „La Radolinu“ wieder durchaus gelungene Latino-Lieder, wie „Mundoreves“ oder „Mala Fama“, die an die berührende Schlichtheit des Debüts anknüpfen – davon hätte man sich mehr gewünscht. Auch das flotte, mit Polizeisirenen und sattigen Bläsern verzierte, „El Hoyo“ gefällt. An solchen Stellen ist man sich fast sicher, dass man diese Platte schon mögen könnte, wenn sie nur ein wenig eigensinniger und origineller wäre. Was ergibt es für einen Sinn, gegen die Globalisierungund die damit einhergehende Nivellierung aller Unterschiede anzusingen, wenn man sich selber der gleichen Mittel bedient? (WARNER)