Mark Knopfler :: Golden Heart
Es dauert eine Weile, bis man einsehen mag, daß dies tatsächlich keine Dire Straits-Platte werden konnte. Genau bis Track vier, als nach zehn äußerst vertraut klingenden Minuten endlich „No Can Do“ einsetzt, die Geschichte eines gescheiterten Weltenbummlers, angesiedelt an einem undefinierbaren Ort irgendwo zwischen Blues und Funk, Traditionalismus und einem Hauch Hipness.
Und wenn danach „Vic & Ray“ kommt, eine nur angedeutete Story mit abgründigen Untertönen, noch leiser, noch atmosphärischer, mit sehr gekonnt hingetupften Akzenten – dann erinnert man sich wieder an die Qualitäten dieses Mannes, die ja nie nur in seinem unverkennbaren Gitarrenton lagen: an seinen kunstlos-anheimelnden Gesang zwischen Bittersüße und Coolness; seine oft übersehenen Talente als Erzähler samt Text-Ideen, auf die man erst mal kommen muß („Done With Bonaparte“ ist der Monolog eines Soldaten, der mit seinem Feldherrn hadert, „Imelda“ die angenehm gehässige Beschreibung von Frau Marcos beim Schuh-Shopping); die Intensität seiner Stimmungen (die sich wie ätherisches öl auch dann in allen Räumen breitmacht, wenn man das Album nur nebenbei hört); seinen souveränen Umgang mit Traditionen. Wie Chris Rea verbindet Knopfler behäbig-braves Musiker-Handwerk mit mild skurrilen Texten.
„Cannibals“ beschwört die Kindheit aus der Perspektive eines Knaben und klingt, als würden bei einer Hochzeit in Louisiana die Nachbarjungs zum Tanz aufspielen; „Je Suis Desole“ verbindet die Knopfler-typische Balladendramatik mit einem munteren Cajun-Refrain; anderswo vermischen sich Country und Rock’n’Roll, irische und amerikanische Folklore, und das funktioniert auch, „I’m The Fool“ hat er allerdings verschnulzt (das kommt davon, wenn man die Dire Straits verläßt und den Keyboarder dann doch mitnimmt). Und warum Knopfler das traurig-trockene Porträt des armen Autogrammjägers Rüdiger in Dancehall-Romantik taucht, bleibt sein Geheimnis – der Frauenchorgestützte Refrain („Oh-oh Rüdiger, Rüdiger, Rüü-diü-ger“) klingt hoffentlich nur in deutschen Ohren unfreiwillig ulkig.
Das Songmaterial ist gut, keine Frage – und doch dürften es ein paar Nummern weniger sein: Gegen Ende hängt er einen schläfrigen Schleicher an den anderen, und man sehnt sich nach mehr Biß, nach Überraschungen, nach weniger Verläßlichkeit. Gitarristisch hält er sich übrigens zurück, dies ist eine Platte von Mark Knopfler, dem Songwriter und Geschichtenerzähler. Unaufgeregt, kundig, relaxt, schön. Mehr nicht.