MARLA GLEN – OUR WORLD :: BMG/ Ariola
Die Stimme ist nicht das Problem, ist ja auch ein Naturgeschenk. Seit ihrem Debüt-Album wuchert Marla Glen mit ihrer androgynen Erscheinung und dem gutturalen Gesang, der kein Training braucht und nicht die bunten biographischen Häppchen, die sie wohl beglaubigen sollen: Leibwächterin und Gesellschafterin bei der großen alten Nina Simone war Maria Glen, Drogensucht in allen Varianten, low life und späte Berufung. Da kommt alles zusammen, was der Blues braucht. Doch den Blues singt Marla bloß in radikal bereinigten Versionen. Etwas bremst sie vor der emotionalen Nabelschau. Sie selbst wohl kaum – Marla fehlt solche Kontrolle.
Nein, das Problem sind die Songs, die auf angenehm entspannt groovendem Niveau bleiben und von Baß und Piano, Schlagzeug sowie Bläsern dezent umspült werden. Sade Adu hatte früher solchen Backdrop, dafür aber keinen Schmutz unter den Fingernägeln und die Gosse niemals behauptet, geschweige denn erlebt. Bei Marla Glen paßt das Sound-Design weniger gut. Wo ein Klaver reichen würde, brechen arg kalkulierte Mainstream-Arrangements los, die freilich Allgemeinplätze wie „Our World“ trefflich illustrieren: „Let’s do this thing we know we got to do.“ Das ist ja fast schöner als eine Tautologie. Warum so allgemein, warum so versöhnlerisch? Eine Hommage an Myriam Makeba und James Browns‘ „It’s A Man’s Man’s Man’s World“ fügen sich unauffällig in die konfektionierte Song-Sammlung. Balladen wie „Time Is Faster“ funktionieren besser, gelangen aber auch nicht in die Tiefe.
Authentizität ist nicht das Problem. Marla Glen muß ihre Glaubwürdigkeit nicht nachweisen. Doch das Abgründige, von dem sie zu berichten wüßte, müßte in ihren Texten aufblitzen – in einem musikalischen Ambiente, das reduziert und essentiell ist. Am „This Is Marla Glen“ gab es solche Momente. Ein anderer Songschreiber, ein anderer Arrangeur und Produzent könnten Wunder wirken. Vielleicht auch ein anderer Hut. „Our World“ enthält ordentliche Gebrauchsmusik – Soul hat meistens nur die Stimme. Für den Moment muß das leider genügen. Beim nächsten Mal dann Remedur.