Mary Chapin Carpenter – The Calling
Es ist die schönste Tugend von Mary Chapin Carpenter, wie unprätentiös sie die Welt beschreibt, die Menschen versteht und sich selbst in Frage stellen kann. Die warmherzige, oft sorgenvolle Integrität und demütige Haltung haben viele schöne Platten charakterisiert, die wohl den Country-Hardlinern nicht immer gefallen haben und auch dem großen Poppublikum nicht genug entgegengekommen sind – für über die Jahre 13 Millionen verkaufte Platten hat es aber doch gereicht.
Das neue Werk, „The Calling“, ist weiterhin ein bisschen amerikanisch melodramatisch und hat nicht die Relevanz, die etwa die widerborstigere Shawn Colvin unlängst noch einmal unter Beweis gestellt hat; keines der 13 wiederum mit Matt Rollings aufgenommenen Lieder fällt aus dem Rahmen, keine Oberfläche ist brüchig. Doch Carpenter geht auf „The Calling“ offensiver mit ihren Arrangements um, erlaubt lautere Drums und mehr elektrische Gitarren, aber auch größere Intimität. Überhaupt wirkt die Grammy-prämierte Sängerin präsenter als auf den letzten Alben.
Besonders schön: das zart zirpende „On And On It Goes“, der klassisch amerikanisch walzende Operier „The Calling“, das an James Taylor orientierte „Twilight“ und das tief in Mondlicht getauchte, fast k.d.-lang-artige „Bright Morning Star“, das das Album mit einem hoffnungsvollen Moment beschließt.
Apropos hoffnungsvoll: Es scheint, als wolle Carpenter, die das Leben ja nun nicht immer leicht nimmt, mit der Platte sagen: Es wird schon. Wohl beschwert sie sich über die öffentliche Diffamierung der Dixie Chicks („On With The Song“) und erzählt in „Houston“ die Geschichte einer Familie, der Hurrikan Katrina die Existenz raubte, doch die Bitterkeit löst sich auf. In dem Neo-Country „It Must Have Happened“, in dem Carpenter mit dem zufrieden ist, was sie hat. In dem ermutigenden Songwriter-Rock „We’re All Right“, wo die große Unklarheit des Lebens in ein Gefühl der Freiheit umschlägt. Und in dem Blumenprotestlied „Why Shouldn’t We“, in dem Carpenter die sanfte Revolution beschwört und jedem Einzelnen eine große Kraft zur Veränderung einräumt. Wieso nicht?