Matthew E. White live :: Fribourg, Nouveau Monde

Plötzlich diese Wärme, die allerdings nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Knapp 200 Besucher im „Nouveau Monde“ im schweizerischen Freiburg (300 Gratistickets waren im Vorfeld vergeben worden – wo sind die alle?!) werden aus dem eiskalten Frühling unversehens in den Süden der USA versetzt. Das fast klassisch besetzte Quintett – nur eine Gitarre, aber ein zusätzlicher Perkussionist – sieht aus wie das Freizeitprojekt von Gymnasiallehrern. Und der Frontmann mit Zottelhaar und Vollbart wie ein übergewichtiger Hippie.

Den sanften Anfang macht „Will You Love Me“, das zugleich das Prinzip der Live-Wiedergabe von Whites hochgefeiertem Erstling „Big Inner“ demonstriert: Der allgegenwärtige Gospel bekommt ein funky Reggae-Fundament. Sanft gehauchter Blue-Eyed Soul trifft kernigen Bluesrock – der Auftakt einer Revue von Südstaaten-Sounds der Siebziger. Hatte man sich auf der Platte manchmal gewünscht, der Gesang würde aus dem leicht bekifften J.J.-Cale-Timbre ausbrechen, zeigt White bei „Are You Ready For The Country“(die von Neil Young gecoverte Waylon-Jennings-Nummer), dass er auch die Register des Southern Rock beherrscht. Die Gitarre wimmert, der Sänger jault, und seine Crew kann mehr, als nur auf die Tube zu drücken. „Steady Pace“ wartet etwa mit einem astreinen New-Orleans-Groove auf, wie ihn die Neville Brothers patentiert haben, versehen mit wohldosierten Synthesizern. Kaum sichtbare Bewegungen auf der Bühne. Doch der ganze Saal schwingt mit. Genrewechsel vollziehen sich fließend und mühelos. Mit stoischer Sicherheit und einem unwiderstehlichem Groove erinnert die Band bei „One Of These Days“ noch an Little Feat; um gleich darauf Randy Newmans „Sail Away“ (Whites Lieblings-Songwriter, wie er erklärt) zum psychedelischen Tagtraum zu machen. Die Jungs versprühen Magie; wem diese Musik nicht das Herz wärmt, der hat vielleicht keines.

Die Bandbreite von Stilen, mit der White sein eigenes Material interpretiert, verweist auf seinen Hintergrund als gestandener Jazzer, Arrangeur und Produzent. Doch das fliegt nicht allen zu. Wurde sein Albumdebüt Anfang des Jahres noch allerorten gefeiert, klangen im Vorfeld der Europatour warnende Unkenrufe an: Der flüsternde Riese sei auf der Bühne ein Haudegen, der Soul gehe im Hardrockgewitter unter. Die Entscheidung, die mysteriöse Aura der Platte live nicht reproduzieren zu wollen (ohne Streicher und Bläser ohnehin unmöglich), geht aber mehr als in Ordnung. Denn der weiße Bär tanzt hier um seine Wurzeln, wie er es beseelter und eleganter nicht tun könnte.

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