Maurenbrecher – Glück (Reptiphon/H :: Eloquente Liedermacher-Platte alter Schule
Ein bisschen sieht Manfred Maurenbrecher aus wie jemand, der latent lispelt und eine feuchte Aussprache hat. Erträgt auch gern Hüte und Baskenmützen. Und einen Schnauzbart. Seit 1979 schreibt er Lieder. Essays und Drehbücher für Fernsehserien, geht immer wieder auf Tournee, mit Klavier und mit Band, und nimmt ziemlich regelmäßig ziemlich wunderbare Platten auf. Eine Kleinkunstkarriere also mit allerlei Preisen und Auftragsarbeiten und Konzerten hier und da. Sonst sitzt Maurenbrecher in Berlin.
Und Berliner Lokalkolorit knarzt und grummelt auch in den Songs von „Glück“, die zwischen Couplet, Chanson und Spottlied den unwiderstehlichen Malstrom der Lieder von Tom Waits und Element Of Crime entwickeln. Die Band legt beherzt los, Piano, Geige, Background-Gesang, das Saxofon von Richard Wester treiben solche ergötzlichen Gassenhauer wie „Arbeit“, „Erst brennen, dann löschen“ und „Dumm fickt gut“ (in dem lustigerweise beiläufig Lenin, Kant und Wittgenstein zitiert werden).
Diesseits von Sven Regener hat man lange keine Ballade mehr gehört wie „Alles hat seine Zeit“, die Maurenbrecher melancholisch zum Klavierspiel singt, und das noch bessere Stück „Tauendes Eis“. Im schön altmodischen „Edeka“ kommt sogar Adam Green vor (und ein „Walkman“). Leonard Cohens „Heart With No Compamon“ hat Maurenbrecher in „Herz ohne Gefährten“ übersetzt. „Hemd auf, Brust raus“ ist eine lange Rezitation, ja ein deutscher Talking Blues zum sozialen Abstieg in die Kaste von Hartz IV, trocken, ohne Betroffenheitsduselei: „Da komm’aber harte Zeiten auf sie zu…“ Sehr berlinerisch, schalkhaft-taxifahrerisch ist Maurenbrechers Welt aus Hinterhof und Parkbank, Suff und Gesabbel, Sarkasmus und Realismus, Vitriol und Wehmut. Im großartigen „Schlag mich“ mit maunzender Slide-Gitarre gibt der Klavierspieler sehr lässig den frühen Randy Newman: „Für mich war es viel schmerzhafter, das Rauchen anzufangen, als es dann zu lassen.“ Toll das larmoyant-prahlerische Ost-West-Kneipen-Lamento „Auberginen-Mann“ am Ende des Albums: „Und ich kenn die Welt!“
Manfred Maurenbrecher hat vor vielen Jahren den besten Aufsatz über Van Morrison geschrieben: „Die undeutliche Sprache des Herzens“. Maurenbrechers eigene Poesie ist dagegen eher zupackend und sinnlich. Früher hat man jemanden wie ihn „Liedermacher“ genannt. Sollte man wieder einführen.