Maxim Biller – Der gebrauchte Jude :: Schlechtes Gewissen

Der kleine Maxim kam ins kalte Deutschland, weil seine Eltern aus Prag vor den Kommunisten geflohen waren. Sie wohnten im besonders kalten und regnerischen Hamburg, und Maxims Vater hatte einige komische Brüder, und der Junge war immer so blass. Außerdem war er in eine jüdische Familie geboren worden. Zwar waren seine Eltern nicht gläubig, doch Maxim lernte spätestens beim Urlaub in Israel, dass er zu diesen Leuten gehörte. Er beschloss, es den Deutschen nicht leicht zu machen.

Maxim studierte in München und erforschte den Antisemitismus von Thomas Mann, er war das schlechte Gewissen eines Literatur-Professors, der ihn nicht ausstehen konnte, und der junge Giovanni di Lorenzo bat ihn um ein Vorwort zu einem Buch über einen reuigen Neo-Nazi. Maxim besuchte die Journalistenschule, dann machte er ein Praktikum bei der „FAZ“ und bedrängte den unwirschen Marcel Reich-Ranicki mit Fragen zu dessen jüdischem Selbstverständnis. Bei einem weiteren Praktikum saß er bei der „Zeit“ in Hamburg und begegnete einem Redakteur mit Prinz-Eisenherz-Haarschnitt und einem mit Franz-Liszt-Frisur, und Eisenherz gefiel die Erzählung nicht, die er von Maxim gelesen hatte. Einmal rief Hellmuth Karasek an und bat ihn um die Besprechung von Philip Roths Zuckerman-Trilogie, weil ihn Maxims Aussehen an Kafka erinnerte. Maxim lehnte ab.

Er schrieb dann für „Tempo“ die Kolumne „100 Zeilen Hass“ und wurde berüchtigt; ein Roman wurde verboten, weil sich zwei Frauen darin erkannt hatten. Maxim aber blieb in Deutschland und schreibt weiterhin funkelnd, flunkernd und bitter über sich, das Judentum und die Deutschen. Der gebrauchte Jude braucht sein Deutschland.

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