Merle Haggard :: Hag – Concepts, Live & The Strangers

Zweites Box-Set mit Alben aus Haggards großer Zeit Einige der bizarreren Momente in diesem Box-Set präsentiert der Live-Mitschnitt auf der zweiten der sechs CDs. Im Civic Center von Muskogee aufgezeichnet, brandet nach der Einführung des MC ein wie bei gewissen TV-Shows auf Kommando vom Band eingeblendeter Applaus auf. Der wiederum schwere Zweifel daran weckt, dass es sich hier tatsächlich um ein authentisches Konzert-Dokument handelt. Der Star des Abends ist sofort bei „Mama Tried“ studioperfekt bei der Sache, die Strangers spielen natürlich keine einzige falsche Note. Die Tonregie am Mischpult rückt sie einzeln mittels Reglern auf buchstäblich unerhörte und recht absurde Weise für Momente in den Vordergrund des musikalischen Verlaufs. Überblendungen zwischen den Songs und Schnitte sind teilweise so amateurhaft bis dilettantisch und teilweise wie vor dem „Working Man Blues“ auch noch so auffällig, dass man sich nachträglich nur verwundert fragen muss, wie irgendwer bei Capitol nach den Knast-Auftritten von Johnny Cash in Folsom und San Quentin jemals eine derart unprofessionelle Aufzeichnung durchsehen ließ.

Bei dem besagten Auftritt sang Haggard einige seiner geliebten train songs, aber auch Country-Heuler wie „If I Had Left It Up To You“ einfach grandios. Wenn er wollte, spielte er in letzterem Genre inzwischen bei solchen Songs in derselben Champions League wie George Jones! Da vergisst man dann glatt auch die lächerlichen Schlampereien der Tonleute an dem Abend. An demselben waren Sänger und Band in so überragender Form, dass Ken Nelson, A&?R-Manager bei Capitol, „Okie From Muskogee — Live In Muskogee, Oklahoma“ trotz manch peinlicher technischer Mängel bei der Abmischung freigeben musste.

Seit den ersten Singles ab 1963 hatte sich die Karriere des Ex-Knackis so erfolgreich angelassen, dass seine Firma zwischen 1968 und 1976 nicht weniger als zwei Dutzend LPs von ihm rausbrachte, darunter auch Lieblingsprojekte wie das Jimmie Rodgers-Tribute —unerhört für Country Music zu der Zeit als Doppel-LP! „Same Train —A Different Time“ wurde sogar unerwartet sein bis dahin größter „Crossover‘-Erfolg bei ganz gewöhnlichen Pop-und Rock-Fans. „Nashville Skyline“ und der ganze neue Country-Rock nach „Sweetheart Offne Rodeo“ waren daran vielleicht nicht ganz unschuldig. Aber für ein AI‘ bum, bei dem der Star dann immer wieder zwischen den Songs belehrend erzählte, wieso dieser Jimmie Rodgers ein so wichtiger Pionier der Country Music gewesen war, dart man diesen Erfolg doch als ungewöhnlich bezeichnen. Und als eher wunderliche Koinzidenz, dass Boz Scaggs in demselben Jahr für sein Atlantic-Debüt auch „Waiting For A Train“ aufnahm.

Mit Roy Nichols und James Burton als zwei der besten Gitarristen in dem Geschäft boten der „Mule Skinner Blues“, „Miss The Mississippi And You“ und „Jimmie Rodgers‘ Last Blue Yodel“ ein paar richtige Delikatessen für Kenner. Sein Status {„Same Train…“ verkaufte binnen weniger Wochen mehr als eine halbe Million Doppel-LPs) sorgte dafür, dass man ihm auch ohne irgendwelche Einwände alle Sessions für die folgenden Projekte wie das Bob-Wills-Tribute, das Dixieland-Album, sogar die Gospel-Platte mit der Carter Family und ein reines Instrumental-Album finanzierte, obwohl letztere notorisch und garantiert keine Bestseller waren. Trotzdem nahm er sich für alle mehr Zeit, als bei solchen Produktionen üblich. Dem „best damn fiddle player in the world“ gegen Ende seines Lebens – Bob Wills war da schon ziemlich krank und konnte Sessions gerade noch im Rollstuhl miterleben — mit einer LP ein Denkmal zu setzen, war für Haggard nicht Showbusiness, sondern (halt auch ein sentimentaler Hund) Herzensangelegenheit.

Business waren die beiden nächsten Live-Platten für Capitol, ungleich preiswerter zu haben, wenngleich danach nicht mehr so spektakuläre Megaseller wie seine erste. Dass es mit seiner Karriere auch mal irgendwann ganz steil bergab gehen könnte für eine Weile, hätte er damals genauso wenig in seinen kühnsten Träumen für möglich gehalten wie der Kollege Johnny Cash. Er entwickelte aber auchwenn man mal die Veröffentlichungen der beiden vergleicht bei seinen hochfliegenden Plänen weit mehr Ehrgeiz. Für so tolle Platten wie „Songs I’ll AIways Sing“, geschweige denn „A Working Man Can’t Get Nowhere Today“ war Johnny Cash zu der Zeit nicht gut. Wie auch mit diesem Box- Set bewiesen, verfolgte Haggard viel kompromissloser seine Ambitionen, und auf Lorbeeren mochte er sich damals wie heute nicht ausruhen. Ruhm vernebelte ihm entschieden nicht im selben Ausmaß Sinne und Verstand. Die wieder sehr umfangreichen Liner Notes beschreiben seine Entwicklung zu dieser Zeit sehr schön nachvollziehbar.

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