Michelle Branch – Hotel Paper :: WEA

Sie sieht vielleicht aus wie ein braves amerikanisches Mädchen, dass sich auf jedem Abschlussball wohlfühlen würde und gern Nagellack-Tipps mit Freundinnen austauscht. Aber Michelle Branch hat ganz andere Sorgen. Ihr Debüt „The Spirit Room“ war so erfolgreich, dass sich die Sängerin selbst wunderte. Über die Liebe wisse sie nichts, gab sie zu Protokoll – sie schreibe nur deshalb am liebsten Liebeslieder, weil die jeden berühren. Und dann nahm sie sich vor, noch mehr Leute anzusprechen, ein bisschen mehr zu rocken und ganz viel von bewunderten Kollegen zu lernen.

All das hat sie geschafft – und „Hotel Paper“ klingt doch nur selten kalkuliert. Das langweilige Duett mit Carlos Santana sei ihr verziehen – in dem Alter muss man noch nicht ganz geschmackssicher sein. Branch ist gerade mal 20, und man hört ihr noch die Naivität an, die sie aus der behüteteten Kindheit ins Showgeschäft hinübergerettet hat. Aber man muss sich keine Sorgen machen. Sie lädt vielleicht Dave Navarro zum Gitarrenspielen ein, aber seinen Stil lässt sie sich nicht aufdrücken „Are You Happy Now?“ ist die logische Fortsetzung ihres kleinen Hits „Everywhere“: etwas härter, etwas bestimmter, etwas erwachsener. Aber alles in Maßen. Michelle Branch ist kein Mädchen für Extreme. Sie klampft entspannt, sie singt, ohne sich und die Hörer – zu quälen. Bei „Love Me Like That“ singt Sheryl Crow mit, unüberhörbar Branchs Vorbild. Ganz so lässig gelingt Branch ihr Mainstream-Rockpop nicht immer. Manchmal bleiben ihr die hohen Töne im Hals stecken („Desperately“), manchmal fehlt ihr der letzte Drive. Aber meistens kriegt sie es gut hin.

Ob das alles nur ihr Talent ist? Produzent John Shanks hat wieder bei etlichen Songs mitgeschrieben, aber die Texte stammen eindeutig von einer, die gerade dem Teenager-Alter entflohen, um die halbe Welt gereist und wieder am Ausgangspunkt angekommen ist: Warum liebt er mich nicht? Wieso bin ich nicht all das, was ich sein möchte? Was kann ich tun? Wo will ich hin? Michelle Branch geht die Antworten gelassen an – und ist damit vielen Altersgenossinnen weit voraus.

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