Mike Keneall – Hat/Boil The Dust Speck
Das passiert schon mal. Da kommen Platten raus, und Platten, und Platten… Die meisten werden gehört, für gut oder schlecht befunden, und ein paar landen in irgendeiner Ecke. Wie diese hier. Was aber schlecht ist, denn Mike Keneally ist ein Guter!
Machen wir’s kurz: Keneally entdeckte als Teenager Zappa, begann dessen Songs auf der Gitarre nachzuspielen, brachte es diesbezüglich zu einer anerkannten Meisterschaft, bot dann Zappa seine Dienste an und landete für sechs Jahre beim Meister. Was schließlich Keneallys musikalischer Ausprägung einen solchen Feinschliff gab, daß man ihn heute, ohne dabei den Mund zu voll zu nehmen, als einen legitimen Erben Zappas bezeichnen darf. Nicht nur steht er als Gitarrist seinem Vorbild und Lehrmeister in puncto Virtuosität in nichts nach, nein, er hat auch dessen zwischen bizarr und verblüffend oszillierenden kompositorischen Einfalle intus, und auch der vitriolische Wortwitz kommt so rüber, als führte ihm Zappa die Feder.
Doch damit wir uns ja nicht mißverstehen: Mike Keneally ist mitnichten ein Zappa-Clone oder jemand, der sich in einem gemachten Bett breitmacht, denn dazu ist seine Musik nun doch zu eigenständig. Zwar bleibt es nicht aus, daß man hin und wieder schmunzelnd Dejavu-Erlebnisse registrieren kann, aber es kreidet ja auch niemand einer Band an, daß in ihren Songs Beatles-Einflüsse zu vernehmen sind.
Kann man den 24 Titeln von „Hat“ noch eine gewisse mühelose Zugängigkeit bescheinigen, so sind die 30 (!) Stücke auf „Boil That Dust Speck“ eher „harter Tobak“, denn was Keneally da an Tricks und Kabinettstückchen in manche Songs hineingepackt hat, das kann so manchen Mainstream-gepamperten Ohren Probleme und gar Schmerzen bereiten. Und obendrein wird sich nicht wenigen mal wieder die quälende Frage stellen: Ist das noch Rock, oder ist das etwa schon Jazz? Nein, es ist Mike Keneally, der hier demonstriert, daß man alle Genre-Grenzen sprengen und sein ganz eigenes Ding machen kann.
Keneallys jüngstes Projekt, The Mistakes, ist das Resultat seiner langjährigen Freundschaft und einiger akustischer Sessions mit Henry Kaiser. Unterstützt von Drummer Prairie Prince (Todd Rundgren, The Tubes) und dem ehemaligen Dixie Dregs-Bassisten Andy West, loten die beiden aus, wie weit die Kommunikation von zwei Gitarren gehen kann. Und gut läßt sich auch verfolgen, wer von den beiden was spielt, denn Kaiser ist vorwiegend auf der linken Seite zu hören, Keneally hingegen auf der rechten. Auch hier geht es manchmal wie mit der Achterbahn durch alle Stile, was aber schlußendlich wieder verblüffend „rund“ klingt. Wer will, kann es Avantgarde nennen oder einfach mit Genugtuung registrieren, was aus der ja so gern totgesagten Rockmusik immer noch an Verblüffendem rauszuholen ist. (Keneally empfiehlt zwecks wahren Genusses, den Amp auf Volldampf zu drehen und die Lautsprecher weit auseinander zu stellen. Von Kopfhörern rät er wegen möglicher Halluzinationen ab.) Wie dem auch sei mit dem Hörgenuß, die Riege der vielbeschworenen Gitarren-„Genies“ hat nunmehr eine neue Referenz mit Zukunft: Mike Keneally!