Mink DeVille – Le Chat Bleu :: RAVEN

Das ist die Geschichte einer Beinahe-Abtreibung, die Willy immer gern erzählte, wenn er in den frühen Achtzigern in Europa auf Tournee war. Zwei LPs hatte Capitol auf der Basis des „Live At CBGB’s“-Samplers schon finanziert, bei denen der unvergleichliche Jack Nitzsche dafür sorgte, dass alle Qualitäten dieses Ausnahme-Sangestalents auch bestens zur Geltung kamen. Egal, was Springsteen-Fans glauben mögen: Dieser William Borsay mit dem etwas ausgefallenen Künstler-Pseudonym und dem Strizzi-Image war damals einige Jahre lang der hinreißendste Rock-Sänger von allen. Praktisch konkurrenzlos in fast allen Disziplinen, auf andere Art ein Original wie vordem der junge Van Morrison. Nur hatte der Mann mit dem beträchtlichen Selbstbewusstsein und dem extravaganten Auftreten keinen Mentor, der ihn zur Zukunft des Rock’n’Roll erklärt hätte.

Bewunderer aber doch. Der große Doc Pomus war einer von ihnen. Der saß schon im Rollstuhl, als Willy ihn das erste Mal im Bottom Line-Qub traf und von ihm – erzählt Willy in den Liner Notes dieser Remaster-Edition – das größte Kompliment seines Lebens erhielt. „I love the way you sing, babe“, sagte der Doc und bot ihm an, gemeinsam ein paar Songs für das nächste Album zu schreiben. Es wurden drei, die zu den überragenden von vielen großartigen auf „Le Chat Bleu“ zählen. Als die Band schließlich die fertigen Bänder, überwiegend in einem Studio in Paris produziert, bei Capitol ablieferte, war man dort ziemlich fassungslos. Diese Mischung aus Drifters und Cajun, Phil-Spector-Grandezza, Rock ’n’Roll und romantischen Balladen erachtete man als völlig unverkäuflich. Egal, was die Produktion gekostet hatte: Wenn die Gewaltigen das letzte Sagen gehabt hätten, wäre die Platte umgehend für immer im Archiv verschwunden. Für die Promotion mochte man jedenfalls keinen müden Dollar zusätzlich ausgeben.

Bei der EMI-Filiale in Paris sah man das anders und leierte die europaweite Veröffentlichung an. Widerwillig brachte Capitol die Platte schließlich auch in Amerika raus. Nur den Queen-Ida-Song „Mazurka“ mochte man den heimischen Publikum überhaupt nicht zumuten und ersetzte den bei der US-LP durch einen Rock-Song.

In welcher Über-Form die Band damals musizierte, dokumentieren diese acht Bonus-Tracks der Remaster-Ausgabe, überwiegend während der frühen Achtziger bei Konzerten in New York und Europa mitgeschnitten. Raritäten vom selben Kaliber wie die von Atlantic auf der Mini-LP „Each Song Is A Beat Of My Heart“ veröffentlichten Live-Aumahmen. Heute mag der in die Breite gegangene Willy bei Konzerten manchmal etwas pomadig den Oberlehrer raushängen lassen, der nebenbei auch an der eigenen Legende strickt und nachgeborenen Fans von guten alten Zeiten erzählt Für ihn waren das damals ganz große, egal in welchem „heroin daze“ (Willy in den Liner Notes) er in Hotelzimmern lebte.

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