Moondog – The German Years 1977-1999/Moondog: Remixed No. 1
Aus dem Nachlass des blinden Esoterikers. Poeten und Musikers Zunächst wurde Louis T. Hardin alias Moondog als blinder Straßenmusiker und -poet in Wikingerkluft auf der 6th Avenue in New York eher als Touristenattraktion bekannt. Dann machte er Bekanntschaft mit Strawinski, Bernstein und Charlie Parker. Drei Platten für Prestige folgten. Dann Lesungen mit Ginsberg und Mingus. Die Avantgarde um Philip Glass entdeckte ihn, die Hippies entdeckten ihn, doch er fühlte sich missverstanden, sah sich ab Klassizist, der sich am Kontrapunkt orientierte, der Kompositionslehre von Mittelalter und Renaissance. Was lag näher, als die Heimat Bachs ab Exil zu wählen?
Nach Konzerten in Frankfurt 1974 blieb der Spiritualist, dessen Kompositionen einem „cosmic code“ folgten – und die er dirigierte, indem er sie perkussiv begleitete und so den Takt vorgab – einfach in Deutschland. Dort hatte er in der zweiten Hälfte der 70er und in den 90ern seine produktivste Phase als recording artist.
„The German Years 1977-1999“ liefert einen Überblick über diese Zeit, vereint eine Auswahl klassischer Kompositionen für Orgel, Streicher, Waldhorn und Perkussion von „Moondog In Europe“, der vom Komponisten selbst zu Klavierbegleitung gesungenen, an Robert Wyatt erinnernden Lieder von „L’Hart Songs“, des Orgelwerks „A New Sound Of An Old Instrument“, der Streichquartette von „Bracelli“, der mittels Sampling hergestellten Kanons von „Elpmas“ und der Kompositionen für Saxofon von „Big Band“ und „Sax Pax For A Sax“.
Die zweite CD enthält das letzte Moondog-Konzert, einen Monat vor seinem Tod im Jahre 1999, beim „M.I.M.I.“-Festival im südfranzösischen Arles mit der Pianistin Dominique Ponty und Gedichtrezitationen des Meisters selbst. Die Schönheit und Klarheit der Moondogschen Kompositionen machte ihn nicht nur in der so genannten Avantgarde zu einer singulären Erscheinung.
Ironie des Schicksals, dass die Missverständnisse nicht aufhören: Zeitgleich erscheint die EP „Moondog: Remixed No. 1“ (1) mit Remixes von u.a. Afrob feat. Ferris MC, die Moondogs Avantgarde „in dem Sound des neuen Jahrtausends“ präsentieren sollen. Abgesehen davon, dass die Harmonie der Kompositionen zerstört wird und ein Update von (selbst klassischer) Avantgarde durch Pop-Mainstreamisierung paradox erscheint, wirken die hier zu hörenden Bearbeitungen wesentlich altmodischer ab die Originalkompositionen.