Morrisey – Maladjusted :: Mercury
Mit „Maladjusted“ hat Morrissey sein Meisterwerk abgeliefert, make no mistake. So wüst ihm das Leben zugesetzt hat im letzten Jahr, so schnöde mit ihm umgesprungen wurde, so unversöhnlich schlägt er nun zurück. Am biographischen Gehalt dieser Texte gibt es nichts zu deuteln, an Deutlichkeit läßt der große Eigenbrötler nichts zu wünschen übrig. Nonkonformismus, streng wie gehabt, aber ohne den Schleier der Verschrobenheit diesmal, sondern klarsichtig und gnadenlos.
In „Sorrow Will Come In The End“ rechnet Morrissey mit Andy Rourke und Mike Joyce ab, den Rhythm-Sessioneers der Smiths, die ihn und Johnny Marr unlängst vor den Kadi gezerrt hatten. Vordergründig ging es um Geld, für den Gerechtigkeitsfanatiker Morrissey jedoch um sehr viel mehr.
Er wollte nicht begreifen, daß ein Gericht alle Absprachen unter ehemaligen Freunden einfach für null und nichtig erklären kann, wenn diese formaljuristischen Kriterien nicht genügen. Marr, etwas simpler gestrickt als Morrissey und alles andere als ein Prinzipienreiter, verhielt sich taktil, setzte bei Bedarf eine Büßermiene auf und wurde vom Richter ob seiner Einsicht gelobt. An Morrissey ließ der Justizbeamte Seiner Majestät freilich kein gutes Haar. Boshaft sei er und berechnend, und überhaupt lasse er den nötigen Respekt vor der Rechtsprechung sträflich vermissen.
So kam es, wie es kommen mußte: Rourke und Joyce wurden großzügig abgefunden, Marr verließ den Gerichtssaal zerknirscht, Morrissey gedemütigt und in seinen moralischen Grundfesten erschüttert. „Legalized theft“, reimt er nun, „leaves me bereft. A court of ustice with no use for truth. Lawyer, liar, lawyer, liar…“
Den Richter nennt Morrissey senil und gemein, dann wendet er sich an die Klagen „You think you’ve won/ But sorrow will come to you in the end/ And as sure as my words are pure/ I praise the day that brings you pain.“ Zur gesprochenen Tirade torkelt ein kranker Walzer über einen öden Fairground – und dann zieht Morrissey das Messer: „So don’t close your eyes/ A man who slits throats/ Has time on his hands/ And I’m gonna get you.“ Viva hate! Stoff für mehr als eine Gänsehaut. Und auch anderswo auf dieser LP wird gegeißelt und stigmatisiert, gesündigt und gesühnt, ohne daß die Musik jemals zu kurz käme. Den brillantesten Songwriter unserer Zeit hat Randy Newman den rigoristischen Briten genannt und hinzugefügt: „He’s got a big brain, that’s for sure.“ Keine Einwände.
Morrisseys Kapazitäten kommen in sämtlichen Songs eindrucksvoll zum Zuge. Im Titelsong zu klirrenden, spacigen Gitarren, in „Alma Matters“ zu sublimer Melodie, in „Ambitious Outsiders“ zu Zucker-und-Zimt-Streichern und ironischen Paukenschlägen. Um das Kinderkriegen geht es hier, um Opferbereitschaft oder satte Bequemlichkeit „It’s your own fault for reproducing“, sarkastelt der Sex-entwöhnte Exzentriker und konterkariert etwaige Gebärwilligkeit mit tonlosem „keeping the population down“, bevor sich das Ganze in eine Jahrmarkt-Groteske verwandelt und die Pro- und contra-Sentimente in einem Caroussel D’Amour durchgeschüttelt und wieder an ihren angestammten Platz gestellt werden: ins Reich der Gefühle.
Musikalisch detailgenauer als seine letzte LP „Southpaw Grammar“, weniger ausufernd und Rock-fromm, zeigt „Malasdjusted“ die geliebten und verhaßten Vokal-Manierismen unter Kontrolle, aber intakt. Wie auch des Meisters surrealen Sinn für Humor. „We’ve never seen a keener/ Window-cleaner“ besingt er fröhlich einen kauzigen Charakter nach dem spuckenden, spotzenden Gitarren-Intro zu byrdsianischem Jangle und Manfred-Mann-La-La-La-Chor. Bizarr.
Ebenso wie die Wahl seines neuen Wohnorts. „Morrissey prefers the Company of animals to humans“, läßt er offiziell verlautbaren. Und zieht sodann nach Spanien, in das Land schlimmster Barbarei. Will er kämpfen oder leiden, ist er Held oder Masochist?
Beides möglicherweise. Liegt ohnehin eng beisammen. „I don’t get along with myself“, sinniert Morrissey schließlich zu des Fans hellem Entzücken, „and I’m not too keen on anyone eise.“ Unser Mozzer, wieder in Bestform.
Some albums are bigger than others.
