Musikbücher von Wolfgang Doebeling
„Cash – Die Autobiografie“ (Palmyra, 26 Euro), vor Jahren dem Journalisten Patrick Carr diktiert, reicht nur bis in die Mittneunziger und bleibt dennoch aktuell. Anrührend sowieso. Neulich war Cash Gast bei der CNN-Plaudertasche Larry King, von der Krankheit schwer gezeichnet und doch unbeugsam. Kings kriecherische Suggestivfragen glitten an ihm ab, er gab nur Auskunft. Was hat ihm die neue Country Music zu sagen? Wenig. Wen schätzt er? Favorite singers, female: Emmylou Harris, male. Dwight Yoakam. Die deutsche Ausgabe seiner sehr lesenswerten Erinnerungen kommt nicht gerade attraktiv daher, aber wahr bleibt: you can’tjudge a book by looking at Ihe cover. Im übrigen liegt nun eine limitierte, vom Künstler signierte Auflage vor, zum Liebhaber-Preis von 150 Euro. 3,0
„In The Sixties“ (Cape, ca.30Euro) von Barry Miles ist ein farbig geschriebenes Plädoyer für die 60er Jahre und alles, wofür sie stehen, ob zu Recht oder nicht. Gewicht bekommt der Popkultur-Almanach durch den schlichten Umstand, dass Miles selbst dabei war, von den frühesten Britpop-Anfängen in den späten Fifties bis zum bitteren Ende, als Manager des „experimentellen“ Zapple-Labels der Beatles. Keine hinreichende Qualifikation, wohl aber eine notwendige, werden Bücher über die Sixties doch oft von Aufschneidern verfasst, die in dieser Dekade erst geboren wurden, überdies gehörte der Autor schon bald zur In-Crowd, kannte Mick 8. Marianne, parlierte mit Allen Ginsberg und bestaunte Timothy Leary aus der Nähe. Analysen liefert Miles nicht, nur Abenteuer. 3,5
„George Harrison“ (Edition Olms, 46 Euro), herausgegeben von RS-Redakteur Jason Fine, ist ein Prachtband und eine mehr als feine Würdigung des Menschen und Musikers George Harrison. Diskurs, Nostalgie, Nachrufe. Und jede Menge Fotos. Warum das Pilzkopf-Cover der US-Ausgabe gegen den bärtigen George eingetauscht wurde, ist ebenso unklar wie der Verzicht auf eine Erweiterung um die Rezeptionsgeschichte hier zu Lande. So bleibt es eine Reproduktion, eben (gut) eingedeutscht. Auf allzu Salbungsvolles wurde, praise his sweet Lord, verzichtet. Das literarische Äquivalent jener Schmierseife, in der Jeff Lynne Harrisons Nachlass-LP „Brainwashed“ bis zur Unkenntlichkeit einweichte, bleibt dem Leser erspart. Große Teile des Buches hatte der amerikanische RS bereits in einem Sonderheft unmittelbar nach Harrisons Tod veröffentlicht; eine Song-Recherche von David Fricke war im Januar 2002 auch in der deutschen Ausgabe erschienen. Das alles schmälert diesen Standardband allerdings nicht. 4,0
„Hard Travelin‘ – Das Woody-Guthrie-Buch“ (Palmyra, 30 Euro), herausgegeben von Michael Kleff, ist zugleich Liebeserklärung und Materialsammlung, Hommage und Fibel. Ein alter, von 1961 datierender Aufsatz über den Todkranken von Pete Seeger, ein knappes Vorwort von Lou „Artist“ Reed und diverse Essays und Nachbetrachtungen. Darunter eine schöne Fiktion von Kleff, in der Guthrie gesund bleibt, die Evolution des Pop beschleunigt und Dylan vorwegnimmt. Indem er mit Buddy Holly den Folk-Rock erfindet, sich von den Crickets begleiten lässt, „My Flying Saucer“ zum Hit macht und bei Auftritten mit den Rock’n’Rollern aus Texas ausgebuht wird. Von Leuten wie Pete Seeger wohl. Judas-Rufe werden laut, 1959. In Kleffs Traum. Natürlich kommt auch Billy Bragg zu Wort, dessen Guthrie-Bearbeitungen mit Wilco nicht nur musikalische Leckerbissen sind, sondern mehr zur Popularisierung des Dichters und Agitators beigetragen haben als die meisten Bücher über ihn. Und das ohne Schmus. Bragg weiß um die Widersprüchlichkeiten im Charakter des Folk-Heroen. Woody sei kein netter Kerl gewesen, versicherte Billy bei Konzerten und spielte damit primär auf Guthries Umgang mit seinen Frauen und Kindern an. Trotzdem liegt Lou Reed nicht falsch, wenn er schreibt: „Guthries Lieder sind Betrachtungen über Moral und Ethik.“ Im politischen Leben, im sozialen Kampf. Der in Woodys Schwarzweiß-Amerika noch tobte und Utopien Nahrung gab, lange bevor Dow Jones die Herrschaft übernahm. Die rund zweihundert hier abgedruckten Songtexte gewähren Einblicke in dieses verschüttete Amerika, übersetzt übrigens von Harry Rowohlt, eine so gelungene wie eigentlich überflüssige Übung. 4,0
„Bolan“ (Omnibus, ca. 20 Euro) von Mark Paytress ist die überarbeitete und erweiterte Neuauflage der verdienstvollen 92er Bio, damals immerhin das erste ernsthafte Buch über den obsessiven Glamrocker. Man lasse sich nicht von der Lektüre abhalten durch den unnötig marktschreierischen Untertitel: „The Rise And Fall Of A 20th Century Superstar“. Dazu die große Box titeis „20th Century Superstar“ hören. 3,5
„XTC – Chalkhills And Children“ (Omnibus, ca. 14 Euro) von Chris Twomey bringt deren Biografie up to date, mithilfe zahlreicher Artikel aus der Musikpresse und Gesprächen mit den Protagonisten. Wer wissen will, warum Dave Gregory nach fast 20 Jahren die Band verließ: Hier steht es. 3,0