My Morning Jacket – Z

Die Bühne und das Auditorium, die vor der Morgenröte auf dem Cover von „At Dawn“ zu sehen sind, wirken einerseits wie ein Hippie-Konvent oder ein Grateful Dead-Happening – und andererseits wie das erwartungsfrohe Empfangskommitee für die außerirdischen Wesen in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“. Und die schrammeligen, verschlurften, melodieseligen Songs von My Morning Jacket – um keine Lautmalerei verlegen – schienen zu solch einem Ereignis einzuladen. Vielleicht war „Lowdown“ aber auch nur ein ländlicher Schwof in Kentucky, und die psychedelischen Obertöne ließen sich auf die musikalische Sozialisation dieser Jüngelchen zurückführen.

Jedenfalls erkannte man damals, 2001, auf nostalgietrunkene, absichtlich verhallt produzierte Neilyoungomanie, und 2003 produzierte der Songschreiber Jim James „It Still Moves“, die Bärenplatte, die den Erfolg bringen sollte, tatsächlich aber fast nichts bewegte. „Z“ erschien weithin bereits im letzten Herbst, wurde – zumal in England – mit höchsten Ehren besprochen und erhielt ungefähr die Weihen von „The Soft Bulletin“ von den Flaming Lips. Womit der himmelstürmerische Eklektizismus und die traumverlorene Wundertütigkeit der Platte angedeutet sind.

Natürlich hat uns das bisherige Werk von My Morning Jacket durchaus auf so ein Album vorbereitet. Aber erst jetzt fügt sich die altertümliche Produktion des britischen Routiniers John Leckie aufs eingängigste mit den antiquierten Prog-Rock-Instrumenten, die das Quintett zum Einsatz bringt. In geglückter Manier läßt Jim James seine Stimme hallen, die Melodien springen, wirbeln, wuseln, daß man es früher „abgedreht“ genannt hätte. Seit ein paar Wochen höre ich dieses Album und rätsele noch immer über ein Song-Wunder wie „It Beats 4 U“ mit diesem komplizierten Schlagwerk, dem Sirren und Pfeifen und dem entrückten Gesang. Dann gibt es elysische Pop-Songs wie „Off The Record“, die an Jellyfish und Todd Rundgren und Lalo Schifrin denken lassen, schrilles Sixties-Singalong mit Bratz-Gitarre wie „What A Wonderful Man“, schwerfälliges Georgel im Stil von „Won’t Get Fooled Again“, halbsymphonische Waber-Exzesse, Fade-outs, die Ewigkeiten dauern, eine Art Kosaken-Chor, das Tschilpen von Vögeln, Kindergeschrei, die Walzer-und Musette-Seligkeit des unglaublichen „Into The Woods“, das irrwitzige Gitarrensolo nach drei Minuten und zwanzig Sekunden von „Lay Low“ und überhaupt die weihnachtliche Melancholie der „Deserter’s Songs“ von Mercury Rev. „Anytime“ wiederum klingt wie die herrlichen späten Replacements.

Für Freunde erhabener Momente, Stanley Kubrick, Zeitlupen und feierlicher Menschheitsmythen spielen My Morning Jacket am Schluß, bei dem vollkommen unirdischen Wunderwerk „Dondante“, eine instrumentale Coda, nachdem James seine letzten Rätselsätze gesungen hat: „In a dream I saw you walkin/ Like a kid alive and talkin/ That was you/ You had me worned! so worned/ That this would last/ But now I’m leaning/ Learning that this will past…“ Den Rest kann man gar nicht beschreiben.

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