Neil Young & Crazy Horse – Broken Arrow
Am Anfang eine gewaltige Ausholbewegung, die suchende, schwebende Young-Gitarre, das vertraut scheppernde Schlagzeug von Ralph Molina, kein Song, sondern ein Ereignis: Neil Young & Crazy Horse. „Talkin‘ ‚bout eternity, talkin‘ ‚bout the big time.“ Der Mythos-Mann ist ins Indianerland heimgekehrt, und auf die Exkursion in die Wildnis hat er seine besten Begleiter mitgenommen – die Jungs, mit denen man auch heute noch jederzeit Pferde stehlen kann.
Aber ach, diesmal verirrt sich Neil Young in der Weite, denn er ist aufgebrochen ohne ein Ziel, und Crazy Horse ist nicht die Band, die den Weg weist Schon beim schier endlosen Improvisieren von „Loose Change“ (sic!) verlieren sie die Route, und das psychedelische „Slip Away“ (sic!) bringt sie nicht zurück auf den Track. „Broken Arrow“ ist natürlich der denkbar krasseste Gegenentwurf zum dichten, emphatischen „Mirror Ball“, eine Zumutung – aber auch eine mutige Entscheidung: Denn Neil Young, der alte Kauz, läßt sich und die Seinen absichtlich treiben, er geht wieder einmal in die entgegengesetzte Richtung. „Broken Arrow“ handelt von Klang, Interaktion, Verschmelzen. Deshalb gibt es kaum Texte und kaum Stücke unter acht Minuten, und deshalb ist Youngs Gesang noch erratischer und noch unschärfer als gewohnt Ein Nebenwerk nur – doch je öfter man es hört, desto mehr wächst das Staunen über diesen Magier der Gefühligkeit In den sich verströmenden, gespenstischen, rohen Sounds hat er die imaginären Landschaften des Neil-Young-Kosmos verborgen, und die Eingeweihten fühlen sich dort zu Hause, auch wenn der Pfadfinder kein Zelt aufschlägt Und ein Song immerhin, unscheinbar fast am Schluß, wird in den Katalog der ewigen Neil-Young-Lieder eingehen: „Music Arcade“, eine schlichte, karge Ballade, die einem die Kehle zuschnürt. Daß die Band danach – vor dumpf aufjohlendem Publikum wie durch eine Nebelwand Jimmy Reeds Blues „Baby What You Want Me To Do“ gniedelt, gönnt man ihr. Urgestein, unbehauen.