Neil Young

Sugar Mountain – Live At Canterbury House 1968

Warner

Der Ansager hoffte inständig, dass die Kellnerinnen zu den Tischen durchkommen – man hatte nicht so viele Zuhörer im Canterbury House in Ann Arbor, Michigan erwartet. Neil Young war damals 23 Jahre alt, hatte Buffalo Springfield verlassen und die Stücke für sein erstes Solo-Album aufgenommen. Mit weicher Jungenstimme säuselt er die Lieder und schlägt sehr entschlossen die akustische Gitarre.

Überraschend ausführlich plaudert er zwischen den Stücken über die Länge seiner Haare (länger denn je), die Vergütung, seinen 1934er Bentley. Auch teilt Neil Young mit, es dauere manchmal zwei Stunden, um ein Lied zu schreiben – manchmal aber auch nur fünf Minuten, wie im Fall von „Mr. Soul“. Young: „Man braucht fast fünf Minuten, um es zu singen!

1968 hatte Young bereits das Repertoire beisammen, das ihn bis „Decade“ und darüber hinaus begleiten sollte: „The Loner“, „Sugar Mountain“, „The Old Laughing Lady“. Bestimmt nicht weniger überzeugend sind „On The Way Home“, „Expecting To Fly“, „Birds“, der herrlich umständliche „Trip To Tulsa“ und „I’ve Been Waiting For You“.

Nun war auch der junge Young schon einerseits ein aufmüpfiger Stürmer der Konvention und Nostalgie – und zugleich der beste Mythenschöpfer in eigener Sache. Mit „Nowadays Clancy Can’t Even Sing“, „Mr. Soul“, „Expecting To Fly“, „Broken Arrow“ hatte er einige seiner wenigen Stücke für Buffalo Springfield im Programm; freilich war er bei der Band auch nicht recht zum Zug gekommen.

Auch dem Publikum vollkommen unbekannte Songs bot er mit der unwiderstehlichen Autorität des genialen Landburschen und Kauzes dar. So beachtlich die Songs waren, die Stephen Stills etwa zur selben Zeit aufnahm: Mit Youngs wimmernden Eunuchengesang und seinen zwingenden Melodien konnte kein Stück des ehemaligen Gefährten konkurrieren; Youngs schlaksige Gestalt, sein verschlufter Habitus zwischen Gebirgsindianer und Höhlenmensch aus dem Holozän war auch damals schon unvergesslich; vom Charisma und dem absichtsvoll linkischen Erzählduktus zu schweigen.

Dies ist Young auf dem Weg von seinem zerfaserten Debüt zu den erschütternden Epen von „Everybody Knows This Is Nowhere“, der Platte, mit der mäandrierende Neun-Minuten-Erzählstücke fast ohne Handlung, aber mit irr gewordenen Gitarren in die Rockmusik aufgenommen wurden. „I never ever told a lie onstage“, kokettiert Young hier.

Dann quakt er eine Geschichte von seinem Engagement im Buchladen, aus dem er gefeuert wurde. Gerechtigkeitsfanatiker, der er ist, berichtet er von den Diätpillen seiner Freundin, die zu seiner Demission führten. Dann kommt „The Loner“ (Warner)