New Model Army-B-Sides And Abandoned Tracks
Wer in den 80er Jahren mit dem biederen Polit-Rock von New Model Army sympathisierte, machte sich verdächtig: Jemand, der New Model Army hört, so munkelte man, bestelle auch Batik-Hemden aus dem Versandhaus, besuche in seiner Freizeit am liebsten ein Wave/Gothic-Treffen und habe mindestens eine Schallplatte der Band The Mission im Mahagoni-Schrein stehen.
So ging man also in der Freistunde verschämt los zum örtlichen Plattenladen, erstand „Thunder And Consolation“ und schob das Album in der Plastiktüte zwischen die Vinyl-Ausgaben von Iron Maiden und King Diamond, auf dass niemand sehe, dass man der Musik des hässlichen Mannes mit der Zahnlücke frönte, der sich lange Zeit „Slade The Leveller“ nannte und Amulette wie Haifischzähne um den Hals trug.
Als man zu Hause war, schlug man nach, wer Oliver Cromwell war, und hörte „Green And Grey“ im stillen Kämmerlein. Eine muffige, eine schöne Zeit war das, und auf jeder Abi-Feier klatschten die Hinterbänkler zu „Vagabonds“ im Takt. Mit anderen Worten: Angesichts der Kunde eines zweiten Teils (!) von New Model Army-Tracks aus der zweiten Reihe, zudem noch als Doppel-CD, kann man seine Begeisterung gerade noch zügeln.
Der erste Part der „B-Sides And Abandoned Tracks“! umfasst B-Seiten, Live-und Bonustracks der letzten zehn Jahre, die recht eindrucksvoll belegen, dass das soziale Gewissen der englischen Arbeiterklasse zumindest nie an Abwechslungsreichtum sparte: Für „Brother“ scheint Justin Sullivan beim Maharishi gewesen zu sein, „FÄNY“ und „Southwest“ hätten eigentlich A-Seiten-Status verdient. Gewohnt überladen dann das in Songtitel und Vortrag geradezu archetypische „Refugee“: Es dräut, es knarzt im Gebälk, Justin hält sich die bösen Geister vom Leib – und dann: Hubschraubergeräusche! Goodnight Saigon. Jetzt bloß nicht einschlafen.
So amüsant wie die B-Seiten sind die „Abandoned Tracks“ (*l/2) -Stücke von Bootlegs und nicht fertiggestellter Kram – leider nicht: Die hübsche Ballade „Trees In Winter“ kommt nicht ohne Frauen-Gewimmer im Background aus, das Songwriting ist meist arg schablonenhaft und „Freedom 91“ ein kläglich gescheiterter, sich anbiedernder Soul-Versuch, Gewimmer inklusive.
Der Rest: fast nur Ausschuss. Eine Anleitung zum Bau einer atomaren Waffe liegt diesmal übrigens nicht bei: Die verbissenen Ambassadeure sind erwachsen geworden.