New York Reporter :: Joseph Mitchell

Der Mitbegründer des „New Journalism“ muss früh geahnt haben, dass man ihn eines Tages als den großen Chronisten eines untergegangenen New Yorks feiern würde. Gerade mal 30 Jahre alt, ließ der Nachtreporter Joseph Mitchell die verderbliche Ware, Artikel für verschiedene Blätter, zwischen zwei Buchdeckel pressen. Der begnadete Zuhörer wollte ihnen mit der Sammlung „My Ears Are Bent“ von 1938 – auf Deutsch „New York Reporter“ – gewiss jenes Schicksal ersparen, von dem er in einer Geschichte berichtet: „Draußen auf der Twentyfifth Street West wehte der Wind, der kalte Wind vom schmutzigen Fluss. Der Wind trieb schmutzige Zeitungsfetzen durch die schmutzige Straße.“ Mitchell begriff den Journalismus nämlich auch als ein sauberes Geschäft und interessierte sich nicht für „Damen der besseren Gesellschaft, Wirtschaftskapitäne, berühmte Schriftsteller, Priester, Filmschauspieler und alle Schauspielerinnen unter fünfunddreißig“, sondern für „Ethnologen, Bauern, Prostituierte und ab und zu einen Barmann“. Er verabscheute Kollegen, die aus „jeder kleinen 08/15-Geschichte Literatur machen“ wollten. Dass ihm das gleichwohl gelingen sollte, zeigen die fabelhaften Bände „McSorley’s Wonderful Saloon“ und „Zwischen den Flüssen“. Sie vereinen seine späteren, längeren Arbeiten für den „New Yorker“. Dieser hier dokumentiert aber schon sehr genau, woher später der Wind wehen sollte. (Diaphanes , 22,95 Euro) PHILIPP HAIBACH

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