Nick Johnstone – A Brief History Of Rock’n’Roll
„A Brief History Of Rock’n’Roll“ (Robinson, ca. 18 Euro) von Nick Johnstone ist eine didaktisch kluge und überdies unterhaltsame Nachhilfe in Musikgeschichte, weil der Autor auch Nebenschauplätze besucht, ohne je die großen Entwicklungslinien der Evolution aus dem Blickfeld zu verlieren. Was zunächst ein wenig anekdotenlastig scheint, gewinnt im Laufe der Lektüre an Relevanz für den Verschmelzungsprozess ursprünglich antagonistischer Traditionen. Natürlich waren es gesellschaftliche Zwänge, die Annäherung bewirkten. Depression. Landflucht, Krieg: gemeinsam erlebte Existenzangst und Depravation lassen wenig Raum für Ausdifferenzierung nach Hautpigmenten, schon gar nicht im kulturellen Sektor. So sind Johnstones Exkurse in die Erfahrungswelt des Hillbilly und der Race Music der Vorkriegszeit erhellend im Hinblick auf ihre rasante Konvergenz zu Beginn der 50er Jahre. Im Nachhinein scheint es unausweichlich gewesen zu sein, dass nach dem mählichen Rückbau von Rassenschranken auch die Demarkationslinien zwischen Blues und Country & Western durchlässig werden mussten, doch standen oft genug Hindernisse in Form regional unterschiedlich stark verkrusteter Konventionen im Weg, die im tiefen Süden fraglos höher waren als in Chicago oder Detroit.
Der Autor weiß darum, nimmt die einzelnen Fäden auf und spinnt sie zu einer literarischen Lunte, die er an das ungeheuer explosive Gemisch legt, von dem – wie er es ausdrückt – die Luft geschwängert war. Die Detonation verlegt Johnstone wie die meisten Pophistoriker in die Sun Studios zu Memphis im Sommer 1954. Und er macht kein Hehl daraus, dass es ihm ein persönliches Anliegen ist, die konstitutive Rolle Elvis Presleys bei der Rock’n’Roll-Werdung amerikanischer Kultur deutlich herauszustellen. Elvis gerät zur Lichtgestalt, des Autors ohnehin nicht sonderlich analytische Sprache kippt phasenweise ins Gefühlige, was freilich nicht zu beanstanden ist, denn immerhin korrespondiert Johnstones hochgejazzte Prosa ja mit dem sehr realen Aufruhr, den Elvis seinerzeit anzettelte.