Nicolas Born – Briefe 1959-1979
„Briefe 1959-1979“ (Wallstein, 34 Euro) von Nicolas Born lässt sich in zweifacher Weise lesen: als kleinteilige Biografie in Dokumenten und zugleich als aufschlussreiche Innenansicht des Literaturbetriebs der 60er und 70er Jahre. Born, der Chemiegraf aus kleinbürgerlichem Haus, ging nach ersten schriftstellerischen Erfolgen nach Berlin, mischte eine weile im Vorfeld der Studentenbewegung mit, erwies sich aber bald als unsicherer Kantonist, weil er seine Literatur nicht vor den ideologischen Karren spannen lassen wollte. Zog aufs Land, suchte das Politische im Privaten, ließ sich mitreißen von der US-Pop-Literatur, wurde einer ihrer Apologeten im deutschsprachigen Raum und schrieb Gedichte, die zum Besten gehören, was die später so genannte Neue Innerlichkeit in die literarhistorische Waagschale zu legen hatte. Born war nie so bekannt wie Rolf Dieter Brinkmann, sein Einfluss nicht so groß, nicht zuletzt weil ihm die großspurige Underground-Attitüde, die Lautstärke und Unbedingtheit fehlten, weil er mit sanfter Skepsis bedachte, was Brinkmann zielsicher hassen konnte. Leider fehlt der Briefwechsel mit Brinkmann in dieser Auswahl, vielleicht weil Maleen Brinkmann damit auch noch etwas vorhat, dafür sind alle anderen Kombattanten vertreten: Hermann Peter Piwitt. Günter Kunert, Hans Christoph Buch, Jürgen Theobaldy und auch Peter Handke, der späte, aber intime Freund, der den an Lungenkrebs sterbenden Born noch in den letzten Tagen besuchte. In diesen Briefen erfährt das oft in diskreditierender Absicht gebrauchte Stempelwort Neue Innerlichkeit eine schöne biographische Erdung. Born hatte einerseits Talent zur Freundschaft, andererseits war er süchtig danach. Sogar seine vielen Absagebriefe, die er als Herausgeber des Rowohlt-„Literaturmagazins“ zu schreiben hatte, atmen einen Anteilnahme und Freundlichkeit, die seiner zugleich geäußerten, bisweilen durchaus scharfen Kritik die Spitze nahm.