Nine Horses – Snow Born Sorrow
Kummer, aus Schnee geboren, aus dieser „cushioning, muted, numbing whiteness“ eines langen harten Winters. Der, so David Sylvian, sei aber auch Quelle „enormer Kreativität, von Lösungen, Resolutheit, Klarheit und Überzeugung“. Wie das zusammengeht, hören Sie hier, eine knappe und sehr lohnende Stunde lang.
Nach „Blemish“, der freischwebend-schweren Solo-Kost, gelüstete es Sylvian wieder nach Austausch, Kooperation, verbindlicheren Formen. Tatsächlich wurde die Grundlage für Nine Horses schon vor „Blemish“ gelegt, mit seinem Bruder Steve Jansen. Doch erst als Bernd ,Burnt‘ Friedman dazukam, konnten die Pferde wirklich aus der Box; immerhin zeichnet der Kölner Elektroniker für fünf der neun Stücke (mitverantwortlich. Reich, doch nicht überladen und – bei aller Programmier-Kunst – stets organisch funkelt das musikalische Tableau. Sängerinnen, die Trompete von Arve Henriksen, die Klarinette von Hayden Chisholm, Saxophone, Vibraphon, Wah-Wah-Gitarren, zweimal auch Ryuichi Sakamotos Piano. So verbindet „Snow Born Sorrow“ die rhythmische Eleganz, Vielfalt und Subtilität von Rain Tree Crow (1990 mit Jansen, Barbieri und Kam) mit der Pop-Sensibilität früherer Sylvian-Alben wie zuletzt „Deüd Bens OnA Ciin“. Dasteigen selbst die „Darkest Birds“ noch irgendwie auf, in einem majestätischen Refrain.
Gleichwohl: Ob solcher Songtitel schwante manchem Fan schon „one of his most pessimistic projects“, man sorgte sich um den Gemütszustand des Lieblings. Der zerwühlt denn in „Serotonin“ (der Hirn-Treiber, den Depressive schmerzlich missen) auch „thoroughly wasted“ und Luzidität nur halluzinierend die Laken einer Luxusherberge („I hate this space“) und zweifelt.
ob „A History Of Holes“ zu stopfen sei. Für die Schrecken dieser „Wonderful World“ konnte Sylvian für eine leicht björkhafte Einlage sogar Stina Nordenstam aus ihrer Höhle locken. Am Tag, als die Erde den Himmel stahl, geht einfach eine Liebe zu Ende.
Doch über allem liegt letztlinh ebenso viel Verzweiflung wie Versöhnung, keine Katharsis bricht sich Bahn, eher eine auch beruhigende Einsicht in „The Banality Of Evil“. Was sicher auch Sylvians Vokal-Charisma geschuldet ist. „You pissed yourself dry“ – wie distinguiert sich selbst das noch aus dem Mund dieses Mannes mit dem so zart zitternden Bariton-Vibrato anhört. Abschließend, in der Geschichte des Bibliothekars, der gern das junge Gemüse aus der Schußlinie (des Lebens) nehmen möchte, verspricht uns David Sylvian: „We will wake up from the dreams that bury us, we will tunnel our way out by moonlight.“ Der Winter mag kommen.