No Fairy Tale :: Knuddeliger Rock – aus den 90er-Jahren übrig geblieben
Lisa Loeb hat sich mit dem Leben als One-Hit-Wonder eigentlich gut arrangiert. Die Frau, die 1994, als um sie herum der Grunge tobte, mit der „Reality Bites“-Ballade „Stay (I Missed You)“ und ihrem Bibliothekarinnen-Sexappeal entzückte, war zum Beispiel vor ein paar Jahren Hauptdarstellerin in der Doku-Soap „#1 Single“, in der sie öffentlich nach einem Mann fürs Leben suchte. Und nachdem sie den jetzt gefunden hat, ist es an der Zeit für ein Comeback und eine Abrechnung mit der Vergangenheit. Der Song dazu heißt „The ’90s“: „You say you loved me then, but I don’t wanna go back“, behauptet Loeb in dem hübschen Singalong, der zwar vorgibt, nicht zurückblicken zu wollen, sich aber dann doch wie das ganze Album fröhlich im Rock/Pop-Repertoire der Neunziger austobt. Egal, ob durch „Matches“ eine knuffige Gitarre wackelt, Loeb in „Ami, I’m Sorry“ von Schuldgefühlen und Heimweh erzählt, sich zum Dreivierteltakt von „Weak Day“ tatsächlich als gute Songwriterin empfiehlt. „No Fairy Tale“ ist voller hübscher Gitarrenpop-Nummern wie „He Loved You So Much“, die mit vielen Uhs, Ohs, Ahs und hübschen Melodien und Alltagsprosa verziert sind.
Alles sehr niedlich und leider ein bisschen zu harmlos. Was daran liegen könnte, dass sie zuletzt neben einer Brillenkollektion auch Kinderlieder herausbrachte. Aus einer solchen Sammlung könnte auch das Abzählreimlied „Sick, Sick, Sick“ übrig geblieben sein. Selbst wenn sie mal in „One Hot Minute“ das wilde Mädchen spielt („I’m not asking for forever, I’m just asking for tonight“) bleibt ihr Gitarrenpop freundlich. Und sogar Zynismus hat in Lisa Loebs Welt einen lieblichen Unterton, wenn sie in „The Worst“ singt: „Don’t worry, the worst ist always there to comfort you!“ (429/Membran) Gunther Reinhardt
Prag