No More Sad Refrains :: von Clinton Heylin

An dünnen Fäden

Die letzten Monate im Leben von Britanniens größter Sängerin und Songpoetin in schnöder Prosa zu rekapitulieren ist Schwerstarbeit für die Seele. So viel Ambition und Verlangen, so viel Erbärmlichkeit und Versagen. Das mühsam gesponnene, lange belastbare Geflecht professioneller Abhängigkeiten hatte nachgegeben und mit den dünnen Fäden, an denen der Suchtmensch Sandy Denny hing, ein unentwirrbares Knäuel gebildet. Punk krempelte alles um, nicht zuletzt das Kalkül der Plattenfirmen. „All of a sudden you had to justify the fact that you were spending so much making records, and nobody was buying them“, so Dave Pegg von Fairport Convention. „It was another thing for Sandy to be depressed about.“ Als ob ihr Privatleben nicht schon jammervoll genug gewesen wäre. Rücksichtslos hatte sie sich durch ihre Schwangerschaft gequalmt und gesoffen, die Frühgeburt ihrer Tochter Georgia führte zu Selbstanklagen und Abstürzen, und es ist bittere Ironie, dass Dennys Tod 1978 nichts mit alledem zu tun zu haben schien, sondern „angeblich“ (Heylins Zweifel werden nicht substanziiert) ein Unfall war. Bitter, weil der letale Treppensturz zu einem Zeitpunkt passierte, als sie ihre labile Psyche in den Griff zu bekommen schien und sogar Pläne wälzte.

Zehn Jahre zuvor hatte die Welt für Alexandra Elene McLean Denny, „an earthy, exuberant, pretty young thing“, so der Biograf, noch anders ausgesehen. Fairport-Produzent Joe Boyd erinnert sich: „She was incredibly funny, with a very quick mind … her chaotic intelligence just poured out.“ Wie aus dem lebenswütigen Wirbelwind ein depressives Drogenwrack werden konnte, vermag Clinton Heylin nicht schlüssig zu erklären, doch liefert er dafür Anhaltspunkte. Während Folk zu Rock wurde, mutierte der Musikbetrieb zum Goldesel für ein paar, für die meisten zum Moloch. Sandy Denny gehörte zu Letzteren. Und kreierte unter sich rapide verschlechternden Bedingungen doch die wunderbarste Musik, mit Fairport, Fotheringay und als Solistin. Heylins selten kolportierende, auf zahlreichen Gesprächen mit Zeitzeugen basierende Biografie erschien erstmals vor elf Jahren, wurde leicht überarbeitet, um eine Kritik der Nachlassverwaltung erweitert sowie um ein paar hässliche Gerüchte, gegen die sich Trevor Lucas, Sandys Gatte und Georgias Vater, nicht mehr wehren kann. Er starb 1989. (Omnibus, 20 Euro)

Die Welt in

von Daniel J. Levitin

Der Autor ist Hirnforscher und war früher Punkmusiker, was ihn befähigt, uns zu erklären, „warum Musik uns zum Menschen macht“ (so der Untertitel). Er braucht dafür nicht mehr als sechs Songs, denn er ist „zu der Ansicht gelangt, dass es im Grunde nur sechs Arten von Liedern gibt“, nämlich „Lieder von Freundschaft, Freude, Trost, Wissen, Religion und Liebe“. Und Steely Dan ist „König der kryptischen Texte“, und „California Sun“ verdanken wir den Ramones. (Bertelsmann, 23 Euro)

von Nick Hasted

Diese „Story Of The Kinks“ bietet mehr als die Autobiografien der Herren Davies titels „X-Ray“ und „Konk“, vor allem Erhellendes über Ursachen und Wirkung brüderlicher Gewalt sowie über das Wohl und Wehe anderer Bandmitglieder. Bassist Pete Quaife verließ die Kinks nach Schlägereien mit dem jungen Davies, Schlagzeuger Mick Avory kam auch nicht ungeschoren davon. Dennoch liegt eine Reunion der Überlebenden immer noch im Bereich des Möglichen, wiewohl nicht Wünschenswerten. (Omnibus, 28 Euro)

von Christian Broecking

„Die Geschichte der Fire Music“, stapelt der Untertitel dieser Interview-Sammlung tief, denn Christian Broeckings Gespräche mit Protagonisten rigoroser Improvisationskunst addieren sich zu mehr als Musikhistorie, sind moralisches Fanal und politischer Diskurs. Ornette Coleman, Archie Shepp, David Murray, Sonny Rollins, Max Roach: nur einige der vielen Auskunft gebenden Musiker, deren Geschichte, Motivation und Haltung wertvolle Einsichten vermitteln, nicht zuletzt über die Evolution des Jazz. (Verbrecher, 18 Euro)

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