Nuggets :: VON JÖRG GÜLDEN
Der GRANFALOON BUS rollt weiter, diesmal sogar mit Schlafwagen. Was auf dem Vorgänger „Rocket Noon“ gelegentlich noch gehetzt oder wie im Demo-Stadium klang, wirkt auf „Sleeping Car“ (Trocadero TR 30060042) exaise thepun – total ausgeschlafen. Elf mal groteske, mal banale Geschichtchen, wie sie das Leben so schreibt, untermalt von Klängen zwischen Katzenjammer und Gaudi. Da träten die Blechbläser, das Banjo schrammelt einsam vor sich hin, und die Geige verbreitet Trauerstimmung. Doch da das ganze mit der sprichwörtlichen Träne im Knopfloch serviert wird, kann man sich ein Schmunzeln nie verkneifen. Ein herrlich skurriles Werk mit Lagerfeuermusik der Güteklasse 1.
Bedächtig lassen’s nun auch GEORGE CARVER & THE MODERN AGRICULTURE angehen. Ihr Album „God The Mother“ (Shrub Musik SM7901) verbreitet gelegentlich eine solche Melancholie, daß einen die Stimmung eines verregneten Herbsttages beschleicht. Des ungeachtet spielen Carver und seine Begleiter subtil rockende oder folkige Songs auf höchstem Niveau. Würde die Band aus dem französischsprechenden Raum kommen, dann fände man ihr Album garantiert unter „Chansons“ im Regal.
Aus einer gänzlich anderen Ecke kommt die BRAVE COMBO. Dieses texanische Sextett hat sich nämlich voll und ganz der Tanzmusik verschrieben, egal ob sie nun Bunny Hop, Limbo, Jive oder Hüstle heißt Auf „Group Dance Epedemic“ (Rounder CD 9055), ihrer bereits zehnten LP, verpassen sie neben israelischen, albanischen und griechischen Gassenhauern auch so Klopfern wie dem „Limbo Rock“ oder dem Ententanz, hier „Chicken Dance“ genannt, eine rhythmische Frischzellenkur. Kein Wunder, daß sie mit dieser, pawlowsche Tanzanfalle erregenden Mucke in den USA jede noch so große Dance Hall ausverkaufen.
Ihre Professor Longhair- und Fats Domino-Piano-Lessions hat MARCIA BALL wie keine Zweite intus. Mit der Gruppe Gum hat sie BluesRock gespielt und mit den Firedogs progressive Country-Musik. Aber ihre Louisiana-Roots kann die inzwischen 50jährige nie verleugnen, denn immer wieder schießt ihr der Boogie in die Fingerspitzen. Auf „Let Me Play With Your Poodle“ (Rounder CD 3151) gibt sie, unterstützt von einer ganzen Armada von Musikern, mächtig Gas und ist in jedem Genre, ob Barrelhouse Boogie, Texas Blues oder Country Swing, eine Klasse für sich. Und wenn Marcia singt, dann wird so manche schwarze Lady blaß.
Was einem Hank Shizzoe recht ist, kann einem MARKUS RILL nur billig sein. Ergo macht Letzterer im heimischen Würzburg eine ebenso authentische Roots-Musik wie der Mann aus Bern. Und wie für den Schweizer ist auch für den Franken Texas die virtuelle Heimat Daß Rill seine Heroen von Steve Earle bis zu Tbwnes Van Zandt während eines einjährigen Austin-Aufenthalts akribisch studiert hat, verraten die zehn Songs auf „Gunslinger’s Tales“ (2w Ilbf Prod.) unüberhörbar. Das ist kompetent musiziert, arrangiert und brillant getextet Und von der Stimme her könnte Rill jederzeit für Calvin Russell einspringen. Fazit: Im legendären „Armadillo Headquarters“-Club in Luckenbach/Texas würde das Publikum Rill garantiert als einen der Ihren bejubeln.
Zu guter Letzt noch eine Kettenreaktion: Erst öffnen sich laut krachend rund um den Globus diverse Garagentüren. Dann wird es noch lauter, denn verwegen dreinschauende Herrschaften treten ans Licht, ergreifen allerlei musikalische Gerätschaften und vergewissern die Hörer nun, daß sich die bange Frage, wer denn bloß die Spaghetti-Western nach dem Ableben des großen Ennio Morricone musikalisch untermalen soll, bis ins Jahr 3000 nicht stellt „Spaghetti – Duck You Suckers!“ (One Million Dollar Rec 012) offeriert Gunfighter-Epen von Western-Afficionados wie Justice Hahn, Polio Del Mar oder den Falcons, die regelrecht nach Leone- und Nero-Action schreien.
Zu beziehen sind die Alben in der Regel bei Chill Music, Scheeren 12,28865 Lilienthal, Taxim Records,Am Dobben 3, 27330 Asendorf und Glitterhouse, Grüner Weg 25,37688 Beverungen