NUGGETS :: VON JÖRG GÜLDEN

Spätestens seit Jewel weiß man, daß in Alaska nicht nur öl gefördert wird und Bären gejagt werden. Doch daß hier, am eiskalten Arsch der Welt, Menschen ihr Faible für alternative country entdecken, erstaunt. Warum sich das Sextett wohl WILD FRONTIER und das Debüt „Spirit Of Adventure“ (Lift Records) benannte. Clever betitelt sind auch die Songs à la „Jack London“ (eine Referenz an den Alaska-Chronisten) oder „Creed Of The North“, die obendrein beweisen, daß man selbst im hohen Norden das richtige Gespür für die Musik des Südens aufzubringen weiß. Oder: Wie sechs Mann die Gesetze der Physik aushebelten, um trotz klirrender Kälte ein musikalisches Feuer zu entfachen…

Wer noch die West Coast Pop Art Experimental Band im Kopf oder sogar im Schrank hat, der kann sich nun auf eine Fortsetzung dieses Experiments – allerdings mit anderen Mitteln – freuen. Was die MOOSEHEART FAITH STELLAR GROOVE BAND auf „Coronal Mass Ejection“ (September Gurls Rec.) zelebriert, ist Psychedelia kosmischer Güte. Hier kann man das Gras buchstäblich wachsen hören. Und obschon hier die analogen Synthies, die Theremins und Sequenzer dominieren, gelingt es den von Baß, Drums und Piano unterstützten Space-Cowboys Todd Homer und Larry Robinson unnachahmlich, ihre trippigen Poeme, die „Hale-Bopp Rockin'“, „4th World“ oder „Alien Bill Miller“ heißen, in warme, einschmeichelnde Melodien zu kleiden. Und bevor’s mal zu elegisch wird, sorgt stets eine geballte Ladung Acid-Rock für neuen Schub. Dieses Album sollte sich Dave Gilmour unters Kopfkissen legen!

Wer angesichts all dieser Nashville-Hype-Produkte das Thema Country-Rock für erledigt hielt, wird leuchtende Augen machen, denn unter dem Talmi wurde unlängst ein wahrer Edelstein entdeckt. Zwar stammen LAST TRAIN HOME nicht aus Tennessee sondern aus Virginia, was aber nichts an der Tatsache ändert, daß das Quintett auf seinem gleichnamigen Debütalbum (Adult Swim) den wohl feinsten Country-Rock unserer Tage spielt Mit dem Speed eines Albert Lee haben sie es sicher nicht, doch dafür sind ihre im Balladen- und Midtempo gehaltenen Songs allesamt Meisterwerke in puncto Aufbau und Zusammenspiel. Die Gebrüder Eric (akustische Gitarre) und Alan Brace (Harmonika/Mandoline) sowie E-Gitarrist Bill Williams definieren ein ums andere Mal das Attribut „traumwandlerische Sicherheit“ neu, und wer nach dem letzten regulären Titel noch einen freight train vorbeidampfen läßt, der wird mit einer exquisiten Version von Fred Neils „Everybody’s Talking“ belohnt.

Mal folkig, mal rockig, doch immer exakt auf den Punkt spielen FLOOR 19, ein Trio aus Austin/Texas. Das Debüt „Austin Motel“ (Privatlabel) präsentiert mit dem Singer/Songwriter Justin Geoffroy ein Talent vom Kaliber Walter Salas-Humara, und die Song-Titel – ob „A Country Song“, „Rock’n’Roll Uncle“ oder „Acoustic Guitar“ – halten stets auch das, was sie versprechen. Unterstützt von einem Drummer und einem Pedal Steeler operiert dieses Trio in musikalischen Gefilden, wo sich Vertrautes mit Verblüffendem und Filigranes mit Zupackendem abwechselt, aber dennoch organisch und rund klingt.

Beim Opener „My Friend And I“ könnte man anfangs fast auf eine Velvet-Underground-Coverband tippen, doch die BLUEBERRIES aus Lexington/Kentucky sind beileibe keine Kopisten, sondern Gratwandler zwischen Country und Pop. Das gleichnamige Album (Spray Rec) ist bereits das dritte dieses Trios um den Singer/Songwriter und Gitarristen Otto Helmuth, der’s zwar gern krachen läßt, eine gelegentliche Ballade aber auch zu schätzen weiß. Ein lockeres, lustiges und leidenschaftliches Werk.

Was können Menschen aus Arizona, die Howe Gelb zum Freund haben, musikalisch wohl machen? Desert-Rock natürlich! Den spielen 35 SUMMERS auf „Bleed Out Loud“ (Privatlabel), ihrer dritten LP, mindestens so kompetent wie der legendäre Kumpel. Hier führen zwei Gitarren das Wort: rockig, laut und schnell, ganz im Sinne Gelbs, der drei der zwölf Songs produzierte.

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