Om :: Advaitic Songs
Unser Thema in diesem Monat: Gitarrenmusik und Metaphysik. „Advaitic Songs“ (Drag City), so heißt das neue Album des kalifornischen Duos Om; darauf huldigen Bassist Al Cisneros und Schlagzeuger Emil Amos mit minimalistischen Rhythmen, sirrenden Sitar-Drones und mantrahaftem Gemurmel in exotischen Zungen der nicht-dualistischen Philosophie des vedischen Advaitismus, in der es zwischen Subjekt und Objekt, Körper und Geist, Schöpfung und Schöpfer keine Unterschiede mehr gibt. Aber auch den Religionen des Nahen Ostens wird heiter gefrönt: Manche Stücke heißen auch „Gethsemane“, „Sinai“ oder „Haqq al-Yaqin“, und gelegentlich werden die ritualistischen Rhythmen durch leiernde Muezzingesänge ergänzt.
Al Cisneros ist aber nicht nur der gläubigste, sondern auch der tollste Bassist, den man sich vorstellen kann; fabelhaft, wie er sein Instrument gleichsam zärtlich-meditativ und kraftvoll-gottesanrufend zu bedienen versteht. Seine Karriere hat er Anfang der 90er-Jahre – gemeinsam mit dem ersten Om-Schlagzeuger Chris Hakius – in der Gruppe Asbestosdeath begonnen, die minimalistische Doom-Metal-Stücke in Schneckengeschwindigkeit spielte. Kurz nach der Veröffentlichung der ersten LP verschwand eins der vier Gründungsmitglieder als Mönch in einem russisch-orthodoxen Kloster, woraufhin das verbliebene Trio unter dem Namen Sleep die mutmaßlich entschleunigste Metal-Platte aller Zeiten herausbrachte. „Dopesmoker“ bestand vor allem aus einem gleichnamigen 63-minütigen Stück – erstaunlicherweise weigerte sich die Plattenfirma, das Werk herauszubringen! Erst in diesem Frühjahr, nach fast 20 Jahren, ist „Dopesmoker“ beim Southern Lord-Label in der ursprünglich geplanten Version erschienen. Seither gibt die zwischenzeitig aufgelöste Gruppe auch wieder gelegentlich Konzerte.
Das Erbe von Sleep – der spirituelle Gebrauch des Basses und die endlose Wiederholung einfacher Muster – wurde unterdessen von Om bewahrt und gut fortgeführt. Neu ist hingegen die Leichtigkeit der Musik, die seit dem Schlagzeug-Debüt von Emil Amos auf der 2009er-LP „God Is Good“ immer deutlicher hervorgetreten ist. Wo spirituell interessierte Doom-Metal-Gruppen den Hörer sonst körperlich mit Lautstärke und Bässen niederzuwerfen versuchen, um ihm das Glück der Erhabenheit erst in einem zweiten Schritt zu gewähren – also einen spirituellen Masochismus vertreten -, überspringen Om das Kapitel der Niederwerfung und predigen gleich die Levitation: Erhebe Dich. Schwebe davon. Sei ganz leicht!
Man könnte ihre Musik mithin als hinduistisch geprägten Doom Metal betrachten. Eine nicht nur weltanschaulich interessante Alternative hierzu bietet neuerdings das Projekt Nazoranai, das der japanische Gitarrenrückkopplungskaiser Keiji Haino mit Stephen O’Malley betreibt, der sonst bei den Krachkuttenmönchen von SunnO))) beschäftigt ist. „Nazoranai“ (Ideologic Organ) verbindet also buddhistischen und katholischen Lärm, und dies in der meditativsten wie körperlich niederwerfendsten Weise: Während O’Malley den Hörer mit langen ganzkörperergreifenden Bassvibrationen betäubt, lässt Haino scharfkantige Gitarrenakkorde splittern und beschwört murmelnd, grunzend und schreiend eine Gottheit, von der man nun freilich nicht weiß, ob man sich ihr spirituell nähern möchte. Nach dem Hören der Platte könnte auch ein Exorzismus die angemessenste Tätigkeit sein.