Orange Juice :: … Coals To Newcastle
Glasgow 1982: Das eröffnete dem Pop, der noch kommen sollte, alle Chancen – Aztec Camera, Felt, The Style Council, Lloyd Cole, The Smiths. Diese Stücke sind kurz – und doch voller Brüche, neuer Ansätze, zweiter Melodien, stolpernder Tempi. Allein die Erwähnung von Roger McGuinn in „Consolation Prize“ und das „I’ll never be man enough for you“ vor dem Fade-out, allein die Aufzählung all dessen, was „Love“ bedeutet, „L.O.V.E.“, in 3.18 Minuten, und die Zartheit von „Tender Object“ und der Pop-Jangle von „Felicity“! Collins war auch eine positive Ausgabe von David Byrne (ebenfalls Schotte): Wo Byrne aber in New York nur Angestellte und Gebäude, Ennui und Nivellierung sah, da blühte bei Collins die Welt, wie sie seit den Beatles nicht mehr geblüht hatte – mit Mädchenchören im Hintergrund. „Yes, yes, yes!“ ruft er am Ende von „In A Nutshell“, dem letzten Song des Albums, das nie zu Ende gehen dürfte.
Das vom Funk infizierte Album „Rip It Up“ folgte 1983, dann die Mini-LP „Texas Fever“, die Collins‘ Liebe zu Country & Western eher indirekt reflektiert. „The Orange Juice“ (1985) schließlich ist das robuste, herrlich melodieselige, mit kräftigen Gitarren und schwellenden Orgeln aufgenommene Großwerk: Es hat Hits, es hat Balladen, es hat Soul und Beat und sogar ein Zugeständnis an die Dub-Mixes jener Zeit – doch kaum jemand kaufte es damals. „Burning Desire“ nahm den reifen Collins vorweg – und das euphorisch-jugendbewegte „Salmon Fishing In New York“ ging den amerikanischen Fantasien von Prefab Sprout auf „From Langley Park To Memphis“ voran.
„… Coals To Newcastle“ versammelt außerdem die erst vor einigen Jahren veröffentlichte Anthologie „The Glasgow School“ mit frühen Aufnahmen und eine CD mit den BBC-Sessions der Band, die bereits 1985 auseinanderbrach. Die Alben wurden jeweils um Demos, Live-Aufnahmen und sogar einige Passagen aus Radio-Interviews ergänzt, die insgesamt noch einmal so umfangreich sind wie die Platten selbst. Ein Konzert-Mitschnitt liegt auf DVD bei. Es ist die schönste Renovierung dieses Jahres und eine überfällige Arbeit am Denkmal des jungen Genius Edwyn Collins, der dem Pop nach New Wave neuen Atem einhauchte, als Dead Or Alive im Radio dudelte. Nur bitterlich beklagen kann man Collins‘ Schicksal, wenn man den begnadeten Sänger bei „Out For The Count“, „Get While The Gettings Good“ und „All That Ever Mattered“ hört. (Domino) arne willander