Patrick Wolf – Wind In The Wires

Mit der Eisenbahn von London kommend entlang der englischen Südwestküste. Durchs herbstliche Devon und Cornwall bis nach Land’s End. Zwischen Dawlish und Teignmouth, an der Stelle, an der der Zug aus dem dunklen Tunnel ans Licht kommt, erblickt der Reisende das Marschland, das sich in ein scheinbar unendliches Meer erstreckt, darüber kreisen die schwarzen Möwen. Dreht er den Kopf, schaut er auf vom Sturm zerrüttete Bäume vor den roten Felsen der Küste. Dazu das Rappeln der Waggons auf den Schienen: Ta-dock-ta-dockta-dock. „I see a small house/ Built on the sea/ I could live there alone/ With a horse and a ukulele.“ Die Violine und der Synthesizer, der Wind in den Stromleitungen, der urbane Folksong.

Patrick Wolf, der Wolfsjunge, ist zurück. Nach den Metamorphosen von „Lycanthropy“ hat er sich auf eine Reise begeben. Den Ukulelenkasten an seiner Seite, ein altes Liederbuch mit englischen Folksongs auf dem Schoß, Stockhausen und Berlioz auf den Ohren. Aus seinem Stiefelschaft schaut ein Federkiel, in seinem Wams steckt „Melymbrosia“ von Virginia Woolf und ein kleines Notizbuch, in dem er seine Lieder aufzeichnet.

Und was für Lieder das sind, die er später fast ganz allein mit allerlei wunderlichem Instrumentarium in Studios in West Cornwall und London aus der rauen Luft zaubert! Düstere Kontemplationen, die den Zauber der windgegerbten englischen Countryside einfangen. Die Violine, die wie der Sturm über das Land fegt, die dahinwehenden Chöre, das traurig plätschernde Piano, das melancholische Akkordeon. Folksongs aus einer anderen, lang vergangenen Zeit voller Magie und Mystik – aufgehoben in einem Paralleluniversum aus Loops und Beats, Elektronik und Samples. Ganz am Ende dieser meisterlichen regennassen Countrysidemusik weht der Wind persönlich – begleitet von Chor und Akkordeon. Hoffen wir, es ist der Nordwestwind, der „Wind ln The Wires“ von der Insel zu uns herüberweht.

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