Patti Smith :: Victor Bockris (Krüger, 40 Mark)

Sie sei immer eingehüllt gewesen ins Leben ihrer Helden, sagt Patti Smith im Rückblick. Und so liest sich ihre Bio wie ein Pinball-Spiel. Patti als quecksilbrige Flipperkugel, die von der elektrisierenden Kraft ihrer Heroen hin- und hergeschossen wird. Ganz nach oben oft, wie im Adrenalinrausch. Instant replay. Und danach wieder rutscht sie durch, zu schnell, um im Umlauf gehalten werden zu können. Das kostet. Neuer Abschuss, neues Glück. Immer unter Glas, stets für alle sichtbar. Ein intensives Leben, rücksichtslos nur gegen sich selbst. Später Schicksalsschläge, die an die Substanz gehen. Tilt. Victor Bockris, seit Jahrzehnten zu Hause im Underground des New Yorker Kulturlebens und Biograf von William Burroughs, Keith Richards und Andy Warhol, schreibt aus dem Effeff. Seine Nähe zu Smith ist so wenig nachempfunden wie seine Faszination für diese Frau gespielt ist. Die Prosa ist durchwirkt von intimen Details und einer Unzahl von Smith-Zitaten. Patris erster Held war Arthur Rimbaud, der Poet, der mit 19 aufhörte zu dichten und mit 27 an Syphilis starb. „Meine geistige Liebschaft“ nannte ihn die Heranwachsende.

Sinnlichere Genüsse fand sie im Rock’n’Roll, der 1964 via Bildschirm Besitz von ihr ergriff. Jesus Christ!“, hörte sie ihren Vater lautstark fluchen, als sie eines Tages vom College nach Hause kam. „Ich habe ihn noch nie so außer sich gesehen“, erinnert sich Patti, „Papa schäumte wie eine Dogge.“ Verantwortlich für Mr. Smiths schieres Entsetzen waren fünf bleiche, langmähnige Burschen, deren „Nerven unter Strom“ standen. „Meine Muschi tropfte, mein Verstand setzte aus“, erinnert sich Patti, „so machte ich Bekanntschaft mit den Rolling Stones“. Dritter Gott wurde Bob Dylan: Anbetung von Ferne, wilde Phantasien. Im Juni 1975 erst lernt sie ihn persönlich kennen. Dylan kommt backstage nach einem ihrer Auftritte in New York. „Any poets in here?“, fragt er und sie antwortet rotznäsig: „Lyrik stinkt“ – ^Wir waren wie zwei Pitbulls, die sich umkreisen“, berichtet sie, „ich hab mich tatsächlich wie ein Depp aufgeführt Ich dachte, der Typ wird nie wieder mit mir reden.“ Wie daraus doch noch eine Freundschaft entstand, gehört zu den hundert Mysterien, die das Buch beleuchtet. Neben den üblichen Topoi natürlich: Beat-Poetin, Punk-Patin, Rock-Maitresse. Und einem winzigen Sündenregister, für den wirklich kein Jesus je hätte sterben wollen.

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