Paul Trynka :: Porträt eines Berserkers: „Iggy Pop“

Wie sich die Persönlichkeit des James Newell Osterberg aus Muskegon, Michigan entwickelt hätte, wäre ihm in jungen Jahren privater oder als Iggy Pop mit den Stooges kommerzieller Erfolg beschieden gewesen, ist natürlich reine Spekulation, Dennoch erscheint es nach Lektüre dieser Geschichte eines zerrissenen, zerschlissenen Lebens, als habe sich zumindest die öffentliche Person, ob blutiger Provokateur oder blutendes Drogenwrack, stets nur im Trotz aufgebäumt und aufgelehnt. Jetzt erst recht: eine Maxime, die unendlich viel Kraft kostet. „Ein sensibler Hippie hätte an diesem Punkt vielleicht aufgegeben“, schreibt Trynka, als Iggy „die Feindseligkeit des Publikums“ mal wieder als „zutiefst verstörend empfand“, und fragt: „Doch wie geht man mit Hass und Ablehnung um?“

Indem man sich ein Alter ego zulegt, das im Falle Iggy allerdings das eigentliche Ich bis zur Unkenntlichkeit ablöst: „Der Mensch, der am Ende dieser Entwicklung stand“, so der Autor, war „unzerstörbar, fies, dreist, gemein und immer auf Konfrontationskurs“. Daneben, oder besser: dahinter, existierte James Osterberg, ein hochintelligenter, wissensdurstiger, emotional empfänglicher Geist, der mal weni- ger, meist freilich mehr litt unter den Umständen, mit denen sich Iggy quälte. Ei- ne Konstellation, die sich ungleich komplexer anlässt als Jekyll & Hyde, und es ist Trynkas verdienst, dem Erklärungsnotstand nicht mit facilen Diagnosen aus der Seelenklempnerei zu begegnen.

Stattdessen kümmert sich seine penible Recherche um besagte Verhältnisse, die Iggys Musik befeuerten sowie dessen kranken, selbstzerstörerischen Körperkult. Mit 250 Zeugen sprach der Biograf, und alle hatten sie eine eigene Perspektive auf Iggys Penis als pars pro toto der Ikonografie. Und auf hässliche Ego-Blähungen, Exzesse, jähe Abstürze und unwahrscheinliche Comebacks, auf Dekadenz und Lust am Untergang, auf Bowie und Berlin.

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