Paul Weller Discografie

The Jam

In The City (1977)

Gerade mal 6000 Pfund zahlte Polydor für das Debüt von The Jam – ein bitter nötiger Fang, nachdem man die Sex Pistols abgelehnt und The Clash nicht bekommen hatte. Die Investition lohnte sich. Auf „In The City“ trug Weller – mit ein bisschen Hilfe von seinen Freunden – alles zusammen, was ihn bewegte, was er liebte: 6O’s-R&B und Soul trafen auf Modrock und Punk, der Titelsong feierte „the young idea“, die Rickenbacker gab alles. „I know I come from Woking and you say l’m a fraud“, verteidigte sich der Vorstädter in „Sounds From The Street“ – „but my heart’s in the city where it belongs.“ Das aufwühlende „Away From The Numbers“ zeigt, was noch möglich sein wird. (4,5)

This Is The Modern World (1977)

Die moderne Welt zwang die Band, in Beatles-Geschwindigkeit zu produzieren und nur ein halbes Jahr nach „City“ dieses Album zu bringen, das viele für hastig misslungen halten. Einige Stücke klingen, als habe Weller die Riffs geschwind auf Butterbrotpapier geschmiert, Bruce Foxtons dämliches „London Traffic“ kann nur wegen Materialmangel hier hingeraten sein. Doch das grüblerische „Life From A Window“ und das Liebeslied „I Need You (For Someone)“ zeigen auch, wie der 19-jährige The Who-Fan Weller langsam echte songschreiberische Ambitionen entwickelte. (3)

All Mod Cons (1978)

Nach einer kurzen Phase der Lustlosigkeit haute Weller sein Meisterwerk raus. Im Titelsong prophezeit er: „You’ll drop us like hot bricks.“ Der junge Mann hatte längst gelernt, dass das Podest, auf das man ihn stellen wollte, extrem wacklig ist. Mit gesundem Zynismus und einem noch gesünderen Rest Idealismus schrieb er Hit um Hit: das Horrorspiel „Down In The Tube Station At Midnight“ (das er beängstigend perfekt singt), den Tränenzieher „English Rose“ (der britischer und doch rührender nicht sein könnte) und „To Be Someone“, das die Einsamkeit eines gefallenen Helden vorwegnimmt. But didn’t we have a nice time? (5)

Setting Sons (1979)

Im gleichen Maße, wie sich The Jam für innenpolitische Belange zuständig fühlten, schwand immer mehr der naive musikalische übermut. „Sons“ war als Kinksartiges Konzeptalbum über die Vergangenheitsbewältigung dreier Freunde geplant, die Überbleibsel „Thick As Thieves“ oder „Wasteland“ sind auf unschwülstige Art melancholisch – im Letzteren hört man eine Blockflöte! Wie ruppig, desillusioniert und exakt Weller in „The Eton Rifles“ und im unsterblichen „Saturday’s Kids“ („These are the real creatures that time has forgot“) tagesaktuelle Szenen zeichnet, die außer ihm niemand bemerkenswert zu finden schien, das klingt noch heute grandios. (4,5)

Sound Affects (1980)

Das letzte Hauptwerk, inklusive „Start!“ und „That’s Entertainment“ als Altzeit-Favoriten. Sehr gelungen auch „Pretty Green“, das mit fünf Minuten fast epische „Set The House Ablaze“ und der obligatorische Kleine-Leute-Song „Man In The Corner Shop“. Noch ahnte niemand, dass Wellers Drei-Minuten-Glorie sich schon erschöpft hatte. Noch einmal Aufbruch, Sarkasmus und Ende der Adoleszenz (Wellers Jugend!). „Sound Affects“ hat übrigens kein scheußliches Cover. (4)

The Gift (1982)

Das einzige Nummer-eins-Album zur Zeit des größten Ruhms, als The Jam sich die Zähne bereits abgewetzt hatten und Paul Weller – anstatt, wie früher, Motown in Gitarren-Power-Versionen zu covern – selbst Tanzmusik mit Bläsern schreiben wollte. In der Hinsicht konnte er der vorab veröffentlichten Doppel-A-Seite „Malice“/“Precious“ aber nichts Gleichwertiges hinzufügen – ein müder Abschied für die Band, die nach fünf durchgearbeiteten Jahren selbst von dem Ennui erfasst schien, über den sie sang. (2,5)

Dig The New Breed! (1982)

Der Abschied mit einem Konzertmitschnitt, damals durchaus lohnenswert und mit den etatmäßigen Klopfern. Doch nichts minderte den Groll über eine der sonderbarsten Band-Auflösungen der Geschichte. Auch die spätere Compilation „Live Jam“ erfüllt den Zweck, dazu kommt „The Jam At The BBC“ samt Mitschnitten der Radio One-Sendung „In Concert“, eine 3-CD-Box. Kennt man alles, so hat man – wie bei manchen frühen The Who-Aufnahmen – den Eindruck einer gewissen Simplizität. (3) Style Council

Introducing (1983)

Eine Compilation der frühen Council-Singles – die erste, „Speak Like A Child“, war nur vier Monate nach dem finalen „Beat Surrender“ gekommen und wäre ohne Weiteres als Song der späten, souligen Jam-Periode durchgegangen. Wellers frühe Versuche im Glissando-Cocktail-Pop klingen überraschend selbstbewusst, der schläfrige Ohrwurm „Long Hot Summer“ hat sogar im „Club Mix“ viel für sich. Nur: welcher Club? (4)

Cafe Bleu (1984)

Als ob Weller und Mick Talbot ihr gesamtes Programm mit einer Platte abstecken wollten. Ein Schüttelbeutel mit Latin-Swing, Zigeuner- und Nightclub-Jazz, Rummelplatz-Funk und sogar ein paar richtigen Liedern. Mit „My Ever Changing Moods“ ist einer der tollsten Weller-Songs überhaupt dabei, die Instrumentals jedoch sind nur fruchtlose Manierismen, der Rap „A Gospel“ eine der schlimmsten, lachhaftesten Verirrungen. (3)

Our Favourite Shop (1985)

Von Thatcher-Klaue und Bergarbeiterstreik bis in die Fönspitzen politisiert, ließ Weller von Paris ab, fixierte wieder England und schuf eine der ganz großen Platten der Achtziger. Seine Gewerkschaftler-Rhetorik wirkt teilweise übereifrig, aber das Dringliche entlädt sich vor allem in unglaublich konzisen Songs, in der Art von originärem weißen Soul, die Weller selbst in den letzten The Jam-Tagen so perfekt nicht gelungen war. Auf den Anti-System-Kracher „Walls Come Tumbling Down“ tanzen die Jungen noch heute. (4,5)

Home And Abroad -Live! (1986)

Spontaner als im Studio klingt die Band auf diesem Live-Album freilich nicht. Es herrscht leicht blasierte „Ohne Filter „-Atmosphäre, allerdings sind Songauswahl und Dramaturgie höchst gelungen. Die Überraschung ist Joan Armatradings „(When You) Call Me“ – andere Coverversionen aus dem damaligen Programm gibt es auf dem nachträglich kompilierten „In Concert“ von 1998. (3,5)

The Cost Of Loving (1987)

Schlüpfrig genug, um theoretisch in jede amerikanische Sonntagnachmittags-Rotation hineinzugleiten. Die Aussichtslosigkeit des politischen Kampfes (der hier zumindest noch nachklingt) und Wellers Glück am Kamin mit Dee C. Lee färbten die Platte in mildes Orange und die Musik in kieferschwachen MOR-Soul-Funk. Längst nicht alles misslingt: Der Harmoniegesang des Pärchens in „Heavens Above“ ist eine warme Brise, „Waiting“ berührt angenehm. Und Weller war schlau genug, auch den Rap in „Right To Go“ nicht selbst zu übernehmen. (2,5)

Confessions Of A Pop Group (1988)

Auch wenn Weller damals vor allem von Debussy beeinflusst gewesen war, wie er gesagt hat: Es ist tragisch, wie er gegen Ende des Style Council seine Talente vernachlässigt und absichtlich das tut, was er nicht kann. Hier singt er mit einem Theaterchor, führt durch eine dreiteilige, völlig banale Suite und dirigiert (sozusagen) ein Orchester. Zwischen Vernissage-Klassik und Einton-Funk-Workouts ist wenig Platz für Gutes. Style Council hatten ihr Grab geschaufelt. (2)

Paul Weller (1992)

Die erste ist die schönste Weller-Platte geblieben. Mit Jacko Peake an Saxofon und Flöte und dem treuen Steve White am Schlagzeug realisierte er nach langer Pause seine besten Songs: R&B, Soul und Jazz light gehen in rückwärts gewandtem, quasi analog produziertem Pop auf. Nach „Above The Clouds“ hört man das Aufsetzen der Tonträgernadel und das Knacken der Stereoanlage. „I Didn’t Mean To Hurt You“, „Round And Round“, „Remember How We Started“, „Clues“, das Style Council-Überbleibsel „The Strange Museum“ und „Kosmos“ verbreiten Wärme und schwelgerische Melodien. Auch Wellers Gesang ist auf dem Gipfel seiner Möglichkeiten. (5)

Wild Wood 1993

Die Stimme heiserer geworden, die Musik rustikaler und zupackender – so unternahm Weller diesen spirituellen Waldgang, durchdrungen von Metaphern der Sonne, des Berges, der Natur überhaupt. Die Arrangements sind locker und Jam-selig, von Folk und emphatischem Sixties-Rock geprägt: Es kracht ordentlich bei „Can You Heal Us (Holy Man)“ und „Has My Fire Really Gone Out?“. Aber Weller schwelgt auch: die Pastorale „Foot Of The Mountain“, die Entgrenzung „Shadow Of The Sun“, das Gute-Nacht-Lied „Moon On Your Pyjamas“. Gewaltig. (4,5)

Stanley Road (1995)

Später zum „Noelrock“ verklärt, weil Oasis gerade alles abräumten und Gallagher d. Ä. bei „Walk On Gilded Splinters“ mitspielt. Wäre nicht weiter aufgefallen. Eine wackere, aber doch nicht glänzende Leistung mit einigen großartigen Songs: „The Changingman“, „You Do Something To Me“, „Time Passes“, „Wings Of Speed“. Ein paar der schönsten Weller-Balladen. (4)

Heavy Soul (1997)

Das Bluesrock-Debakel im Stil der späten Sechziger: behäbig, zäh, Soli-verliebt. Ein Fest für die Musiker, ein Tort für den Hörer. Apologeten lassen „Up In Suzes‘ Room“, „Friday Street“ und „Science“ gelten. Die arme Seele hängt schwer und klotzig über vergangener Liebe, Egozentrik und schludrigen Songs, die natürlich exzellent eingespielte Band übertreibt Manierismen und Selbstverliebtheit. Muckertum rising! (2,5)

Helioceotric (2000)

Die Songs sind intakt, Weller rette sich in das, was er alles kann: Liebeslied, Gitarren-Rock, milde Psychedelia, gut gemischt und von unterschiedlicher Güte. „There’s No Drinking, After You’re Dead“ gab nicht nur des Kommas wegen Anlass zu Spekulationen, und „Love-Less“ ist ein wunderbares Schluss-Lied auf diesem Album der Selbstvergewisserung. Gerade von der britischen Kritik aufgegeben, wurde Weller schon halb wieder entdeckt. Allerdings wurde ihm auch attestiert, das Äquivalent zum alternden Sonntagsfahrer im Straßenverkehr zu sein. (3,5)

Days Of Speed (2007)

Die zweite Live-Platte nach dem fulminanten „Live Wood“ (1994), das sich auf die Songs der ersten beiden Alben beschränkte. Mittlerweile war Weller mit akustischer Gitarre auf Tournee gegangen und bescherte den alten Fans glückliche Momente, nun auch wieder mit wenigen Songs von The Jam und The Style Council. „Days Of Speed“ ist das Destillat jener Konzerte mit einer außerordentlich glücklichen Auswahl: „Clues“, „English Rose“, „You Do Something To Me“, „Down In The Seine“, „That’s Entertainment“, „Love-Less“, „Headstart For Happiness“, „Town Called Malice“. Man könnte noch Stunden weiterhören, aber dafür reichen Picking und Stimme des Songschmieds nicht mehr. (4,5)

Illumination (2002)

Wieder eine Exkursion in Wellers musikalische Traumzeit, ca. 1968: Fast hippieesk spielt er lauten Rock (schlimm: „Call Me No. 5“, „Standing Out In The Universe“) mit irgendwie ungefähren Texten, aber auch gefühligen Folk: „Who Brings Joy“, „Spring (At Last)“. Aber am besten ist er, wenn er die sentimentalen Weller-Orte aufsucht: „Going Places“, „All Good Books“ und das wundersame, wie spontan entstandene Happening „One X One“ mit Noel Gallagher am Schlagzeug und dem allerschönsten Gitarren-Solo. (4)

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