Paul Weller :: Wild Wood
Das naturschöne Meisterwerk von 1993 mit opulentem Anhang Nachgeborene würde es erstaunen, wenn es ihnen nicht egal wäre: Schon 1993 galt Paul Weller als Vertreter des „Dad Rock“, und das war noch vor Oasis. Nicht einmal das wunderbare Solo-Debüt im Jahr zuvor hatte die britische Presse nach der Spätzeit des Style Council milde stimmen können. Dafür reagierte sie auf „Wiild Wood“ mit dem üblichen Ausrufen einer knorrigen Comeback-Platte; der „NME“ titulierte den 35-jährigen Songschreiber als „midlife rambler“ und rückte ihn in die Nähe von Neil Young; die Rezensionen waren respektvoll, die Platte erreichte Platz zwei der englischen Charts. „Everything seemed exciting, fresh and new. It was almost like starting over“, erinnert sich Weller im Booklet dieser wahrhaft luxuriös bepackten „Deluxe Edition“. Der Mann, der „In The City“ und „Down In The Tube Station At Midnight“ verfasst hatte, fand, wenn nicht die Natur selbst, so immerhin ewig gültige Metaphern in der Landschafts‘ und Elemente-Lyrik: „Sunflower“ eröffnet das Album mit einem RfefB-Paukenschlag und der Romantik eines Heiratsantrags. „Wild Wood“ ist eine Platte zwischen dem Ende einer Liebe und der ekstatischen Erkenntnis, dass es weiterhin Liebe geben wird, ein Dokument der Selbstvergewisserung und Gesundung. Neben dem treuen Trommler Steve White und dem Bassisten Marco Nelson kamen bei den ebenso kraftvollen wie gefühligen Stücken nur einige Bläser zum Einsatz, Folk und Psychedelia erinnern an die große Zeit von Traffic und Steve Marriott. Weller gibt den Biber der Träume, imaginiert die „5th Season“. gerät in Zuckungen bei „Can You Heal Us (Holy Man)“ und fragt sich selbst: „Has My Fire Really Gone Out?“
Eine rein rhetorische Frage natürlich, denn dieser Reigen, dessen Stücke durch kleine Instrumentals verbunden sind, beglaubigt Wellers geradezu religiöse Inspiration. Unter den zusätzlichen Stücken sind so überzeugende wie „Ends Of The Earth“, die Single „Hung Up“, eine Live-Version von „This Is No Time“; dazu gibt es Demos von den Songs von „Wild Wood“, eine Cover-Version von Neil Youngs „Ohio“, das er damals gern im Konzert spielte. Das Instrumentalstück „Another New Day“, auf der Platte eine der Überleitungen, ist hier in einer ausführlichen Fassung enthalten, „The Weaver“ war am Anfang der „Weaver Of Dreams“, von „Wild Wood“ gibt es noch eine zweite Demo-Version. Und die herrliche Ballade „The Loved“ hat Weller für die Platte nicht einmal verwendet.
Wie schon „Stanley Road“ ist dieses noch bessere Album vorbildlich erschlossen (und aufgeschlossen) worden. In den Entwürfen von fabelhaften Songs wie „All The Pictures On The Wall“ und „Shadow Of The Sun“ liegt bereits das beseelte Wummern, Flehen und Quengeln. Wie nur bei Steve Winwood in dessen zauberischen Momenten verschmilzt hier absolute Hingabe mit stupendem musikalischem Genie und bezwingenden Melodien – es ist eine Verführung. „Fresh cutgrass will fill your hair…“