Pet Shop Boys – Release: Routinierte Song-Sammlung von den britischen Pop-Veteranen :: EMI
Es hilft ja alles nichts: Um sich „Release“ zu nähern, bedarf es eines genauen Blickes in die vielfach missachtete, schaurig-schöne jüngste Vergangenheit von Chris Lowe und Neil Tennant. Es stimmt, die Pet Shop Boys liefen zu Promo-Zwecken frühvergreist, mit bescheuerten Hunden und ebenso lächerlichen Perücken durch die Gegend. Ein paar Jahre vorher hatten sie wenigstens noch Kegel auf dem Kopf und ein paar Song-Ideen mehr im stilvernarrten Künstler-Hirn.
Aber: „Nightlife“ schien ebenso unterbewertet, wie dem mediokren „Bilingual“ zuviel Lob zuteil wurde: Natürlich gab es auf „Nightlife“ Euro-Disco-Ausfälle wie „Happiness Is An Option“ und zum bitteren Ende die „Go West“-Reprise, aber es hatte eben auch feinsinnige Perlen wie „Boy Strange“, „In Denial“ oder „Footsteps“. Hat nur wieder keiner gemerkt im schmierigen „New York City Boy“-GeschunkeL JRelease“ nun ist in etwa „Pet Shop Boys Unplugged“ (wenn das möglich wäre): keine Stampfrhythmen, kein Oktoberfest, wenig Pomp, wenig Elektronik, organischere Strukturen – sogar Johnny Marr ist als Gastgitarrist bei fast allen Stücken mit von der Partie. Und wie New Order mit „Chrystal“ waren offensichtlich auch die Pet Shop Boys noch einmal in der Lage, den beinahe perfekten Pop-Song aus dem Hut zu zaubern: „I Get Along“ heißt dieser hier, etwas einfältig mag er schon sein, gleichwohl kaum noch zu verbessern. Leider singt man das Lied nach zwei Mal Hören drei Wochen am Stück. „Love Is A Catastrophe“ und „Birthday Boy“ sind in ihrer fahlen Tragik, die ein bisschen an das so unnachahmlich kalte Sehnen von „Jealousy“ und „It Couldn’t Happen Hete“erinnern, ebenfalb aller Ehren wert.
Auch Ausfälle gibt es zu verzeichnen: „The Samurai In Autumn“ ist ein herber Rückschritt, „The Night I Fell In Love“ vor allem lyrisch (wie so oft) nicht gerade eine Offenbarung. Der Rest aber versöhnt wieder – die reine Oberfläche, die Kunst als Selbstzweck und die unnötig überfrachteten Melodramen haben Löwe und Tennant vermieden. Der von jeglichem Ballast befreite Abschluss „You Choose“ könnte sogar von einer normalen Pop-Combo stammen.